zwischen den rillen
: Brandgefährliche Stelldicheins

Zu zweit geht auch nicht alles leichter: Jane Birkin besingt mit internationalen Gästen die Fährnisse des Liebeslebens

„Tour, un petit tour, un petit tour avec toi …“ Wer Mitte der Siebziger Radio gehört hat, dem ist Michel Delpechs „Pour un flirt avec toi“ noch im Ohr. Einer dieser unbeschwerten Sommerhits aus der Prä-Aids-Ära, als Schlager für eine kurze Zeitspanne von körperlichem Verlangen handeln konnten, ohne zugleich Liebe im Sinn zu haben. „Für einen Flirt mit dir“, hieß es im Text, „wäre ich zu den größten Dummheiten bereit.“ Und dann war noch von gestohlenen Küssen und geteilten Laken die Rede. Nicht im mindesten aber von Verbindlichkeit. Eine Hymne auf den konsequenzlosen Aufriss.

Für ihr aktuelles Album hat Jane Birkin den „Flirt“-Song gemeinsam mit Christophe Miossec neu aufgenommen. Nun allerdings klingt das unbekümmerte Liedchen, als sei es zur Untermalung der „Gefährlichen Liebschaften“ bestimmt. Die einfältige Kinderliedmelodie erkennt man sofort wieder, aber der Sound ist drohend, dunkel, nicht im Mindesten tändelig. Verführung als kalter Sport, als Angriff, als Verderben. All seiner Heiterkeit entkleidet, gewinnt das etwas banale Chanson völlig überraschend abgründige Tiefe. Und große Traurigkeit.

„Rendez-vous“ ist das zweite Birkin-Album ganz ohne Gainsbourg-Songs und das erste mit geradezu weltumspannender Gästeliste – von Caetano Veloso und Paolo Conte über Beth Gibbons und Manu Chao bis hin zum japanischen Elderpopman Yosui Inoue. Von den 14 Duettpartnern kommt gerade einmal die Hälfte aus frankofonen Ländern.

Was von weitem nach cleverer multinationaler Vermarktung im Nachklapp von Birkins sehr erfolgreicher „Arabesque“-Welttournee riecht, klingt im Ergebnis erfrischend und unchaotisch, wie eigentlich stets bei Birkins Post-Gainsbourg-Projekten. Nur an Gainsbourgs Mahnung, nach den von ihr favorisierten melancholischen Liedern gelegentlich ein fröhlicheres einzuschieben, um die Spannung zu erhalten, hat sich Birkin etwas zu sehr gehalten. „Rendez-vous“ ist das reinste Wechselbad der musikalischen Stimmungen und wäre doch besser in eine Tag- und eine Nachtseite aufgeteilt worden.

Rabenschwarz allerdings sind fast alle Lieder auf diesem Album, selbst wenn sie zunächst womöglich gar nicht so klingen. Etienne Daho etwa hat für Birkin einen sanften Bossa von Brigitte Fontaine und Jacques Higelin ausgegraben. „Meine Grippe steht dir sehr gut“, singt er da scheinbar ganz harmlos. „Das macht so einen schönen Teint.“ Sie hingegen ist nicht so sicher: „Ich hab ein bisschen Angst, dass mich das Fieber hässlich macht.“ Er: „Wenn du leidest, Geliebte, siehst du sehr anziehend aus.“ Nach drei Minuten düsterster Komplimente bleibt ihr nur zu vermuten, dass ihr der Tod wohl auch sehr gut stehen werde.

Und so geht es weiter mit neurotisch-symbiotischen Liebesbeziehungen à la „Du hast kein Recht, dass es dir weniger schlecht geht als mir“ (mit dem auf sanfte Bosheit spezialisierten Alain Chamfort), der zynischen Aufforderung, doch allzeit zu lächeln, weil dies die Muskeln schone und Falten vorbeuge (mit Brian Molko von Placebo), oder, an der Seite von Brian Ferry, mit der psychedelischen Roxy-Music-Ode auf eine aufblasbare Gummipuppe, die in die Zeilen mündet: „I blew your body – but you blew my mind.“

Geführt von den Produzenten Renaud Letang (Manu Chao) und Gonzales, ist Jane B., Frankreichs berühmteste Britin, in der erotischen Schauerromantik angekommen. Und es steht ihr ausgezeichnet. REINHARD KRAUSE

Jane Birkin: „Rendez-vous“, Capitol