Scampi-und-Champagner-Diät

Die große Fracksause: Im Berliner „Café Moskau“ feierte die „Brigitte“ ihren 50. Geburtstag. Und ließ für den Ansturm der geballten Medienprominenz der ganzen Republik vorab die Sanitäranlagen des Clubs komplett umbauen

VON CORNELIUS TITTEL

Mensch, Biggi, wir hätten es so gemütlich haben können. Passend zum aktuellen Orienttrend bei einem frisch aufgebrühten Pfefferminztee zusammen sitzen, ganz leger im Wohlfühlpulli. Einfach nur reden, über den Job und die Familie, über grüne Apfelkaltschalen mit Sekt, Omega-3-Fettsäuren und die neuen Asia-Power-Workouts, für die man auch mit 50 noch lange nicht zu alt ist. Dann wären ein paar gute Freundinnen zu uns gestoßen, Elke hätte ihren berühmten Radicchio-Salat gemacht, alles ganz relaxed und balanced, schließlich soll man den Fünfzigsten auch nicht überbewerten.

Stattdessen: Staatsempfang, Großkampftag, Elitenalarm, Frackzwang. Wer sich am Donnerstagabend dem Café Moskau in der Karl-Marx-Allee näherte, konnte glatt den Eindruck gewinnen, ein öffentlich-rechtliches UFO sei im „Szenebezirk“ Friedrichshain gelandet. Wo unter normalen Umständen die Türsteher der Berliner Club-Institution WMF darüber entscheiden, wer im Keller zu Techno und Tabletten feiern darf, half nun eine Amada von cremefarben gewandeten Hostessen beim vollelektronischen Party-Check-In.

Wer Probleme mit seiner vorab versendeten Chipkarte hatte, wurde allen Ernstes und sehr unbrigittig an einen separaten „Trouble-Counter“ verwiesen. Berlin musste es schon sein für diesen Abend: Man wollte offensichtlich am Puls der Zeit bleiben, und der scheint schon lange nicht mehr am Gruner-und-Jahr-Stammsitz Hamburg zu schlagen. Allzu berlinerisch durfte es dann aber auch nicht sein: Die Sanitäranlagen wurden eigens für den Brigitte-Geburtstag grundsaniert.

Schöne neue Gala-Welt: Um die Prominenz-pro-Quadratmeter-Quote in ungeahnte Höhen zu treiben, waren selbst langjährige Brigitte-Mitarbeiterinnen dazu angehalten worden, ihre Lebensgefährten zu Hause zu lassen. Nur so konnte ausreichend Platz geschaffen werden für die geschlossen angetretene Medienelite Deutschlands.

Brigitte-Chefredakteur Andreas Lebert, der sich angesichts des Meers von Honoratoren und einer stabilen 800.000er Auflage wie der anwesende Frank Schirrmacher und Rudolf Augstein in Personalunion fühlen musste, ließ zu Beginn des Abend kurz das gewisse Brigitte-Feeling aufkommen („Brigitte, du verstehst mich. Brigitte, du nimmst mich ernst. Brigitte, du bringst mich weiter“), bevor Verlagsleiter Bernd Kundrun mit einer simplen Statistik die Rechtfertigung für den Gala-Exzess lieferte.

„97 % aller Deutschen kennen die Marke Brigitte. Brigitte ist somit berühmter als unser Bundespräsident Johannes Rau“, verkündete er mit stolzgeschwellter Brust – und man fragte sich unweigerlich, warum ausgerechnet Rau, der doch zuhören, verstehen und ernst nehmen kann wie sonst nur die Brigitte, wieso ausgerechnet Rau nicht unter den Gratulanten weilte.

Elke Heidenreich nutzte als letzte Rednerin des Abends die Gelegenheit, Chefredakteur Lebert ins Gewissen zu reden: Zu wenig Kultur, zu viel Kosmetik, lautete ihre Jubiläumsbilanz: Für ihren Geschmack würde sich ihre „Freundin Brigitte“ zu sehr bei den bauchnabelfreien und gepiercten „jungen Dingern“ anbiedern. Und dennoch: „Das Leben ist schön und 50 ist kein Alter“, so Heidenreich.

Wie das echte Leben fühlte sich der Rest des Abends dann nicht mehr an: So viel Champagner, so viel Scampis, so viel Hamburg war noch nie in Berlin. Und auch die Toiletten wurden angemessen dekadent eingeweiht. Was denn die drei jungen Leute zusammen in einer Kabine machen, fragte gegen Mitternacht eine ältere Dame ihren Begleiter. Die Antwort kam aus der Kabine: „Die neue Brigitte-Diät.“