Hehre Ziele, teures Essen

Das groß angekündigte Weltkulturforum in Barcelona läuft schleppend an. Die Kritik an der Veranstaltung bleibt

Namhafte Intellektuelle, Politiker, Mitglieder von NGOs und Zivilgesellschaft. 47 Diskussionsrunden über Frieden, nachhaltige Entwicklung und kulturelle Vielfalt. Als „Ereignis, das die Welt bewegen wird“, hatten die Veranstalter das Weltkulturforum 2004 in Barcelona angekündigt. Geladen zur großen Kulturgala, die noch bis zum 26. September läuft, sind unter anderen der Literaturnobelpreisträger José Saramago, Staranwalt Baltasar Garzón und Michail Gorbatschow. Begleitend gibt’s über zwanzig Ausstellungen sowie hunderte von Konzerten und Theaterstücken. Doch schon wenige Tage nach seiner Eröffnung droht sich das Großereignis als Flop zu erweisen; der erwartete Besucheransturm blieb bisher aus. 16.000 sollen es nach offiziellen Zahlen am Sonntag, dem ersten Kassentag, gewesen sein; tatsächlich waren es vermutlich weniger: Um 19 Uhr wirkte das Gelände, obwohl die Sonne schien, wie ausgestorben. Die Veranstalter hatten mit 25.000 Besuchern gerechnet.

Polemik entzündete sich vor allem daran, dass trotz saftiger Eintrittspreise – eine Tageskarte kostet 17,90 Euro – weder Essen noch Getränke auf das Gelände mitgebracht werden dürfen. Man muss auf dem Gelände Essen kaufen. Ein Unding, wie selbst manche katalanischen Politiker inzwischen meinen. Zudem muss extra zahlen, wer eine der Diskussionsrunden live mitverfolgen will.

Doch die Kritik, die sich bereits im Vorfeld am Forum entfachte, ist grundsätzlicherer Art. Katalanische Professoren und die Assemblea de Resistències al Fòrum 2004 (Versammlung des Widerstands gegen das Forum) sprechen von einem „großen Schwindel“ und werfen den Veranstaltern Scheinheiligkeit vor. In ihrer Politik handelten die Regierungen Spaniens, Kataloniens und Barcelonas, die das Weltkulturforum initiiert haben und zu 60 Prozent aus Steuergeldern finanzieren, keineswegs nach den dort propagierten hehren Zielen. Unter den Sponsoren finden sich der Energiekonzern Endesa, der in Chile sieben Staudämme baut, durch die die dort lebenden Mapuche vertrieben werden, und die spanische Firma Indra, die militärische Informationstechnologie herstellt und am Eurofighter mitarbeitet. Diese Widersprüche führten zu Absagen von Aktivisten sozialer Bewegungen wie José Bové oder Naomi Klein. Auch Noam Chomsky und Susan Sontag lehnten eine Teilnahme am Forum ab.

Verschiedene städtische Gruppen werfen der Stadt Barcelona außerdem vor, mit dem Forum umfassende städtebauliche Maßnahmen, wie eine weitere Erschließung der Küste oder die Verlängerung der Hauptverkehrsachse Diagonal bis zum Meer, zu rechtfertigen. Dafür wurden fast 2,2 Milliarden Euro bereitgestellt. Wie die Präsidentin des Zusammenschlusses von Nachbarschaftsinitiativen, Eva Fernández, erklärt, haben sich in der Umgebung des Forums die Preise für Wohnraum während des vergangenen Jahres verdoppelt. Auch die Räumungen besetzter Häuser und des von Immigranten besetzten Kasernengeländes Torres i Bages sind im Zusammenhang mit dem Forum zu sehen. INGE WENZL