„Den Häftlingen das Rückgrat brechen“

Monatelange Haftverschärfungen in der Haftanstalt Fuhlsbüttel sorgen für Unruhe unter den Gefangenen. Insassen fühlen sich schikaniert und leiden unter verordneter Isolation. Mitarbeiter befürchten Eskalation der Situation

Von Marco Carini

Die Stimmung ist auf dem Siedepunkt. Auch genau fünf Monate nachdem der Anstaltsleiter der Fuhlsbüttler Haftanstalt am 18. Dezember aus Angst vor einer Gefangenenrevolte zahlreiche Haftverschärfungen erließ, sind diese noch immer in Kraft. „Die Situation in Santa Fu eskaliert zunehmend“, klagt ein Mitarbeiter der Anstalt – „wir steuern auf einen großen Knall zu.“

Nachdem es am 17. Dezember zu lautstarken Protesten eines großen Teils der Gefangenen gegen die in den vergangenen zwei Jahren immer wieder verschärften Haftbedingungen gekommen war, hatte Anstaltsleiter Andreas Behm unter Rückendeckung der Justizbehörde einen Tag später weitere Sanktionen verfügt: Der Umschluss der Gefangenen, in dem sich diese frei im Trakt bewegen können, wurde auf ein Minimum verkürzt, der Einschluss in die Zellen um eine Stunde auf 18.30 Uhr vorverlegt.

Sanktionen verlängert

Viele Häftlinge müssen nun täglich 23 Stunden in ihren engen Zellen verbringen. Auch die Außenkontakte der Gefangenen wurden systematisch gekappt: Nachdem bereits im Oktober das Telefonieren stark eingeschränkt worden war, wurden nur auch die Besuchszeiten drastisch reduziert. Die Sanktionen sollten ursprünglich bis Januar gelten, wurden dann bis Mai verlängert. „Inzwischen sieht es so aus, als würde das Rad gar nicht mehr zurückgedreht“, befürchtet ein Anstalts-Mitarbeiter.

„Mehr als eine Stunde können auch heute nur die Häftlinge die Zellen verlassen, die an berufsqualifizierenden Kursen oder sonstigen Freizeitaktivitäten teilnehmen“, berichtet ein anderer Mitarbeiter. Doch diese werden systematisch weiter abgebaut. Computerkurse wurden gestrichen, die hauseigene Polsterei und die Schuhmacherei haben schon lange ihre Pforten geschlossen. Nun läuft innerhalb der Anstalt das Gerücht, dass auch die Sprachkurse abgeschafft werden sollen. Ein Anstaltsbediensteter gegenüber der taz: „Die Gefangenen sind kurz davor auszuflippen, weil sie die verordnete Isolation nicht mehr aushalten“.

Doch damit nicht genug: Seit Anfang Mai lässt die Anstaltsleitung Trakt für Trakt die Zellen der Gefangenen vom hauseigenen Sicherheitsdienst, der so genannten „schwarzen Gang“ durchkämmen, alle Gegenstände, die nicht zur Standard-Zellenausrüstung gehören entfernen. Regale werden nicht sorgsam abgeschraubt, sondern mithilfe eines Kuhfußes aus der Verankerung gerissen; zurück bleiben faustgroße Löcher in den Zellenwänden.

Wortlose Behörde

Mehrfach sollen bei solchen Zellenvisiten auch persönliche Gegenstände der Häftlinge zerstört worden sein, da alles was sich auf dem entfernten Mobiliar befand, achtlos auf den Boden geworfen wird. „Es gibt keinen Grund, warum die Gefangenen nicht aufgefordert wurden, die Gegenstände selber zu entfernen und warum mit dieser Brutalität vorgegangen wird“, klagt ein Knast-Insider: „Das sind reine Schikanen, mit denen den Inhaftierten systematisch das Rückgrat gebrochen werden soll.“ Inzwischen haben mehrere Gefangene den juristischen Weg gegen die „Zellenräumungen“ eingeschlagen.

Offizielle Statements der zuständigen Justizbehörde zu den Haftverschärfungen in der Fuhlsbüttler Anstalt gibt es nicht. Bereits am Mittwoch von der taz mit den Mitarbeiter-Schilderungen konfrontiert, gelang es dem Amt nicht, bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe, auch nur zu einer einzigen Frage zu den Haftbedingungen in Santa Fu Stellung zu nehmen.