Autobombe tötet Iraks Ratspräsidenten

Bei einem Anschlag auf einen Autokonvoi des irakischen Regierungsrates kommen der amtierende Ratspräsident und acht weitere Menschen ums Leben – Unsicherheit nur sechs Wochen vor der geplanten Amtsübergabe an eine Übergangsregierung

AUS BAGDAD INGA ROGG

Der Präsident des irakischen Regierungsrat, Abdel-Sahraa Osman, ist gestern Morgen bei einem Autobombenanschlag in Bagdad getötet worden. Osman war zu einem Treffen des Regierungsrats unterwegs, als in der Nähe eines Kontrollpunkts vor dem streng bewachten Gelände der Koalition ein mit Sprengstoff beladener Wagen explodierte. Mit Osman, besser bekannt als Issedin Salim, starben sein Stellvertreter Kadhim Taleb Hadschi sowie der Fahrer und ein weiterer Begleiter. Die Wucht der Explosion riss einen ein Meter tiefen Krater in den Boden. Zwei der vier Wagen des Konvois wurden völlig zerstört, darunter auch das Fahrzeug mit Issedin Salim. Irakische Vertreter sprachen von neun Todesopfern.

Auf einer Website erschien gestern eine Notiz, dass zwei Kämpfer die Operation ausgeführt hätten, die zum Tod des „Verräters und Söldners Issedin Salim“ geführt habe. Die Gruppe bezeichnete sich als Arabische Widerstandsbewegung. Ihr „heiliger Krieg“ werde bis zur Befreiung Iraks und Palästinas fortgesetzt.

Das Attentat ist ein schwerer Rückschlag in dem Bemühen, das Zweistromland vor der geplanten Machtübergabe an eine irakische Übergangsregierung am 30. Juni zu stabilisieren. Derzeit verhandelt der Regierungsrat mit dem UNO-Gesandten Lakhdar Brahimi und der US-geführten Verwaltung über die Zusammensetzung der Übergangsregierung. Diese soll die Wahlen vorbereiten, die nach dem bisherigen Fahrplan spätestens am 31. Januar 2005 abgehalten werden müssen, und die Amtsgeschäfte verwalten.

Salim ist der bisher ranghöchste Politiker im Irak, der seit dem Sturz des Saddam-Regimes ermordet wurde. Am 20. September vergangenen Jahres verübten Unbekannte einen Anschlag auf das Ratsmitglied Akila al-Haschimi, fünf Tage später erlag sie ihren Verletzungen.

Salim hatte Anfang Mai die Präsidentschaft über den Rat übernommen, die monatlich zwischen den 25 Mitgliedern rotiert. In Bagdad war er bislang aber nicht öffentlich in Erscheinung getreten. Unklar ist, ob der Anschlag gegen Salim persönlich gerichtet war. Er fuhr in einem Konvoi mehrerer Ratsmitglieder, in dem nach einem Bericht des arabischen Dienstes der BBC auch die beiden prominenten Politiker Ahmed Chalabi und Adnan Pachachi unterwegs waren. Salim war Vorsitzender der Bewegung der schiitischen Dawa-Partei und stammte aus Basra. Dort versammelten sich nach Bekanntwerden des Tods hunderte zu einer Trauerzeremonie; für morgen sei ein Trauermarsch durch die Stadt geplant, hieß es in Bagdad.

Das kurdische Ratsmitglied Mahmud Osman nannte Salim einen aufrechten Politiker und islamischen Denker, der viele Jahre seines Lebens im Widerstand gegen die Diktatur gekämpft hat. Der Autor und Philosoph verbrachte mehrere Jahre in den Kerkern der Diktatur und musste später ins Exil nach Iran.

Der Rat hat die Tat in einer Erklärung scharf verurteilt. Er werde sich durch die kriminelle Tat jedoch nicht davon abbringen lassen, den Aufbau eines vereinten und föderalen Irak voranzutreiben. Wenige Stunden nach dem Mord gab der Rat die Wahl Ghasi al-Jawars zum neuen Ratsvorsitzenden bekannt. Der aus Mossul stammende Sunnit sollte ursprünglich im Juni als letztes Ratsmitglied vor dem Antritt der Interimsregierung die Präsidentschaft übernehmen.

„Das ist die Tat derjenigen, die mit allen Mitteln die Demokratisierung des Iraks hintertreiben wollen“, sagte Jawar. Davon werde er sich aber nicht abschrecken lassen. „Ich werde auch weiterhin alles für die Verwirklichung eines freien Irak tun.“

MIT AP, AFP