Zur Kooperation fehlt der politische Wille

Beim heutigen EU-Russland-Gipfel geht es auch um den WTO-Beitritt Russlands. Klärung strittiger Punkte ist fraglich

MOSKAU taz ■ Heute findet der erste EU-Russland-Gipfel nach der Osterweiterung der EU in Moskau statt. Leicht fiel es Russland nicht, die Aufnahme der baltischen Staaten hinzunehmen. Bis zuletzt stellte sich Moskau quer, die Regelungen des EU-Partnerschaftsabkommens auf die Neumitglieder auszuweiten. Entscheidend dabei dürften Befürchtungen gewesen sein, Russlands Wirtschaft werde mit Übernahme der EU-Dumping- und Quotenregelungen durch die neuen Mitglieder Einnahmeverluste von 150 bis 300 Millionen Euro hinnehmen müssen. Das galt insbesondere für Einfuhrquoten von Stahl und Getreide, wo sich eine für beide Seiten akzeptable Lösung abzeichnet.

Umstrittener sind in der EU andere Forderungen, die Moskau als Kompensationsleistungen verlangte. So wünscht der Kreml, dass die EU die Visaregelungen für Russen vereinfacht. Auch eine Senkung der Zolltarife im Transitverkehr mit der russischen Exklave Kaliningrad steht auf Moskaus Wunschliste. Kurz vorm Stichtag der Erweiterung versuchte Moskau überdies, die Lage der russischsprachigen Bevölkerung im Baltikum noch in einem Zusatzprotokoll zu erwähnen. Mit einem Verweis auf die Minderheiten will der Kreml Mahnungen seitens der EU, die Menschenrechte in Tschetschenien zu achten, abschmettern können. Da die rechtlichen Rahmenbedingungen für Minderheiten in der EU einheitlich geregelt sind, gab Brüssel nicht nach.

Auf der Gipfel-Agenda stehen auch die Verhandlungen über einen russischen Beitritt zur Welthandelsorganisation (WTO). Ob den Unterhändler auf dem Treffen eine endgültige Klärung gelingt, ist offen. Nach wie vor drängt die EU Russland, den russischen Telekommunikationsmarkt zu öffnen und die Einfuhrzölle für Fahrzeuge herabzusetzen. Darüber könnte man sich einigen. Allergisch reagiert Moskau aber auf die Brüsseler Forderung, die Energiepreise zu erhöhen. Brüssel sieht darin eine Wettbewerbsverzerrung, Russland in den niedrigen Tarifen seinen einzigen Marktvorteil.

Zehn Jahre nach der Unterzeichnung der „Vereinbarung über Partnerschaft und Kooperation“ sind die Beziehungen nicht frei von Spannungen. Wenn Präsident Putin beklagt, dass der rotierende EU-Vorsitz die Zusammenarbeit erschwere, hat er Recht. Es ist aber auch eine Ausflucht: Moskau zieht es vor, Probleme bilateral zu klären. Anstalten, die Beziehungen zur EU auf eine effektivere Basis zu stellen, hat Russlands Machtzentrum bisher nicht gemacht.

In den Beziehungen zu den USA oder der Ukraine setzt die Präsidialadministration die entscheidenden Akzente. Nur einmal hat sich Putin direkt in die EU-Politik eingeschaltet: als sich bei der Transitregelung um Kaliningrad eine Schlappe des Kreml-Chefs abzeichnete.

Bislang sind die Initiativen zur Kooperation blutleer geblieben, was den Eindruck erweckt, Moskau betrachte die Kooperationsvereinbarung von 1994 eher als politische Erklärung denn als Verpflichtung zu praktischen Maßnahmen. Noch sieht es so aus, als fehle beiden Seiten ein ernster politischer Wille, die Beziehungen nachhaltig zu intensivieren. KLAUS-HELGE DONATH