„… schick ihn nach Ägypten“

Die CIA betreibt Folter mit System – im Ausland. Ein globales Netzwerk von Gefängnissen und die Zusammenarbeit mit andern Geheimdiensten helfen dabei

BERLIN taz ■ Schon wenige Monate nach dem 11. September 2001 tauchten die ersten Berichte auf: Unter Federführung des Auslandsgeheimdienstes CIA, so hieß es, umgehe die US-Regierung nationales und internationales Recht bei der Behandlung von Personen, die verdächtigt wurden, irgendeine Verbindung zum Terrornetzwerk al-Qaida zu halten.

Inzwischen kann es als erwiesen gelten, dass es ein geheimes von der CIA betriebenes System der Folter gibt – im Ausland. Verdächtige werden von der CIA aufgespürt, verhaftet und in den Nahen und Mittleren Osten gebracht, vornehmlich nach Jordanien, Syrien oder Ägypten, und dort schwerer Folter ausgesetzt. US-Offiziere sind daran nicht unmittelbar beteiligt, aber sie sind die Drahtzieher, die den befreundeten Geheimdiensten einerseits Hinweise geben, andererseits den Rücken stärken.

Etwa im Fall des kanadischen Staatsbürgers syrischer Abstammung Maher Arar. Im September 2002 machte der Telekommunikationsspezialist mit seiner Frau und seinen beiden Kindern Urlaub in Tunesien, als er aus seiner Firma in Ottawa eine dringende E-Mail bekam, er werde sofort gebraucht, um einen größeren Auftrag sicherzustellen. In aller Eile buchte Arar einen Flug über Zürich und New York nach Montreal. Am 26. Steptember gegen 14 Uhr kam er in New York an – „da begann mein Albtraum“.

Zunächst wird Arar mehrere Stunden am Flughafen festgehalten und erkennungsdienstlich behandelt, dann wird er über eine andere syrischstämmige Familie in Kanada befragt. Ein Anwalt wird ihm verweigert. Erst nach fünf Tagen darf Maher Arar seine Familie über seinen Verbleib informieren. Nach acht Tagen in Haft und ständigen Befragungen wird ihm angekündigt, er werde nach Syrien abgeschoben.

Seine Proteste, dort würde er gefoltert werden, nutzen nichts. In einem Privatflugzeug der Marke Gulfstream wird Arar nach Jordanien ausgeflogen. Dort beginnen die Schläge – die ganze Autofahrt über bis nach Syrien. In einem winzigen Loch verbringt Marar im Far’Falastin-Gefängnis unter fast ständiger Folter die nächsten zehn Monate, die schlimmsten seines Lebens. Wenn seine Peiniger ihn in Ruhe lassen, hört er die Schreie der anderen Gefangenen. Sein detaillierter Bericht ist unter www.counterpunch.org/arar11062003.html nachzulesen.

Ein Einzelfall aber ist er nicht, auch wenn niemand sagen kann, wie viele Menschen betroffen sind. Von etlichen nimmt niemals jemand Notiz, andere tauchen nicht wieder auf. Das in Großbritannien erscheinende Nachrichtenmagazin New Statesman zitiert in seiner aktuellen Titelgeschichte über „Amerikas Gulag“ den ehemaligen CIA-Offizier Robert Baer über die Rolle der verschiedenen Länder im Nahen Osten: „Wenn du ein ernsthaftes Verhör willst, schickst du einen Gefangenen nach Jordanien. Wenn du willst, dass sie gefoltert werden, schickst du sie nach Syrien. Wenn du jemanden verschwinden lassen willst – wenn du ihn nie wieder sehen willst –, dann schickst du ihn nach Ägypten.“

Dort, südlich von Kairo, liegt das Torah-Gefängnis. Sein unzugänglicher Innentrakt von 320 Zellen, genannt al-Aqrab, der Skorpion, ist das größte der von der CIA genutzten Geheimgefängnisse, dessen Existenz immerhin noch bekannt ist. Wer hier sitzt, ist in völliger Isolationshaft, ohne Kontakt zu Anwälten oder Angehörigen, ständigen Schlägen ausgesetzt. Niemand weiß genau, wer drinnen ist, niemand fragt, wann jemand wieder herauskommt. Gerade der richtige Platz für die Gefangenen der USA im weltweiten Krieg gegen den Terror. BERND PICKERT