Danke, McDonald‘s!

So haben wir nicht gewettet: Wie man neuerdings mit Fastfood prima Distinktionsgewinne erzielen kann

„Nur noch 60 Sekunden“ hieß vor ein paar Jahren mal ein Kinofilm. Er handelte vom Autoknacken und von Geschwindigkeitsräuschen. Selbst das Filmplakat hatte etwas Rasantes. Der Schauspieler Nicolas Cage ist darauf vor einem verwischten Hintergrund zu sehen: zu schnell für den Betrachter. Dass die Handlung des Films dann aber ziemlich lahm war, erwähnen wir jetzt nur noch, weil sich in der aktuellen McDonald’s-Kampagne auch interessante Widersprüche auftun. Und auch in ihr spielen 60 Sekunden eine Rolle.

Innerhalb dieses Zeitraums hat man seine Bestellung vor sich auf dem Tablett stehen. Sagt also McDonald’s und bietet eine Wette an. Wenn’s nicht klappt, bekommt man eine große Cola gratis. Das klingt doch prima! Zumal man die Cola inzwischen auch gegen Apfelschorle tauschen kann. Doch seltsamerweise handelt der Fernsehspot, mit der diese Marketingidee unters Volk gebracht werden soll, dann nicht von Geschwindigkeit, sondern von Souveränität. Die freundliche McDonald’s-Bedienung (weiblich, groß, blond, offensichtlich Karrieristin) nimmt sich darin geradezu Momo-artig alle Zeit der Welt, um die beiden Jungs, die sie da in Zeitstress bringen wollen, zu bedienen. Und: Klar schafft sie die Wette.

Gehetze? Kennen wir nicht! Sagt der Spot. Schnell sind wir trotzdem. Dass McDonald’s ein seltsamer Laden ist, war ja schon vorher klar. Denn McDonald’s ist billig. Und gut. Die Angestellten verdienen wenig. Und sind trotzdem glücklich. Die Besucher essen Fastfood. Und tun damit neuerdings noch was für die Gesundheit. Wissen wir alles aus der Werbung. Nun ist McDonald’s also auch noch langsam. Und schnell. Wenn das nichts ist!

Allerdings wäre es ja ein bisschen billig, angesichts solcher abgedrehter Fantasieprodukte, wie sie McDonald’s-Werbespots nun mal darstellen, darauf zu verweisen, dass die Realität anders aussieht. Das weiß ja eh jeder. Das Wissen, dass die Wette eine neue Spirale der Ausbeutung in der Kontrollgesellschaft darstellt, darf man in dieser Zeitung auch voraussetzen. Aber wir wollen auf etwas Anderes hinaus. Die Wette bietet nämlich auch eine Chance – wieder eine super Gelegenheit, Distinktionsgewinne zu erzielen! Man braucht sie ja gar nicht annehmen, die Wette. Man kann sich wie eh und je bedienen lassen und das mit der Wette den Arschlöchern überlassen, die die McDonald’s-Angestellten nun auch noch beim Bedienen verlieren sehen wollen. So sieht man doch, was für ein guter Mensch man ist. Wenigstens für 60 Sekunden.

Also: Danke, McDonald’s. Nächstes Mal fahren wir mit dem Fahrrad vor, spenden vorher viel Geld für irgendeine NGO, tragen ein Michael-Moore-Buch in der Tasche und schauen uns triumphierend um, wenn die Bedienung 61 Sekunden brauchen sollte. Wir haben ja nicht gedrückt. Das fühlt sich bestimmt gut an.

DIRK KNIPPHALS