Krach um Kita-Krippen-Chaos

Nach Kita-Kompromiss droht drastische Erhöhung der Gruppengrößen im Krippenbereich. Sozialbehörde will Kostensenkungen. PädagogInnen planen Proteste bis hin zum hamburgweiten ErzieherInnen-Streik

Von Marco Carini

Der Kita-Kompromiss wirft seine langen Schatten. Ein Monat nachdem die SPD-geführte Volksinitiative „für eine kinderg- und familiengerechte Kita-Reform“ und der Senat sich auf die Ausweitung der Kinderbetreuung geeinigt haben, wird immer sichtbarer, dass die dadurch auftretenden Finanzlöcher nur durch drastische Einbußen bei der Betreuungsqualität gestopft werden können. Noch in diesem Jahr sollen die Standarts im Krippenbereich rapide abgesenkt werden – auf Kosten der Kinder und der ErzieherInnen. Die drohen jetzt mit Widerstand: Ein hamburgweiter Pädagogenstreik könnte die Kinderbetreuung tagelang lahm legen.

Nach Informationen von „Soal“, dem Dachverband zahlreicher freier Träger von Kindertagesstätten, plant der Senat, noch im Juni allen beteiligten Verbänden einen Vertrag vorzulegen, der diese verpflichtet, Krippenplätze um 30 Prozent billiger anzubieten. Da die Einrichtungen weder an Sachkosten noch am Personal kurzfristig drastisch einsparen könnten, gäbe es für sie nur einen Weg: die Gruppengröße bei den Ein- bis Dreijährigen rapide zu erhöhen – von 12 auf bis zu 20 Kinder. Da gerade bei den Krippenkindern viel Zeit für die Versorgung der Grundbedürfnisse – von der Nahrungsaufnahme bis zum Windelnwechseln – draufgeht, bliebe den ErzieherInnen kaum Zeit, sich noch um die Kleinsten zu kümmern. Die Folge: Die jüngsten Kita-Kinder blieben auf sich allein gestellt.

Die Sozialbehörde sagt, dass den Trägern „noch vor der Sommerpause ein neues Angebot für den Krippenbereich vorgelegt“ werden wird. Behördensprecherin Anita Wichert bestätigt zwar nicht die 30-prozentigen Entgeltsenkungen („Es gibt verschiedene Varianten, aber noch keine spruchreifen Zahlen“), aber die Tendenz: „Wir arbeiten mit Hochdruck an Kostenreduzierungen im Krippenbereich.“ Um die zu erreichen, werde zurzeit, „sehr tabulos über Kürzungen in allen Bereichen nachgedacht“.

Die geplanten Einsparungen lösen bereits eine massive Beunruhigung bei den betroffenen ErzieherInnen aus, die laut Soal „unter einen kaum verantwortbaren Arbeitsdruck mit den Kleinstkindern geraten“ würden. In einem Aufruf, der zurzeit in den Kindertageseinrichtungen kursiert, kündigen die Leitungskräfte und PädagogInnen mehrerer Einrichtungen massiven Widerstand gegen das Sparkonzept an: „Die Schmerzgrenze ist erreicht. Wir sind nicht mehr bereit, das Kita-Chaos auf unseren Schultern zu tragen“, heißt es in dem Appell, der heute bei Soal in eine endgültige Form gegossen werden soll.

Zusammen mit den Gewerkschaften ver.di und GEW und den BetriebsrätInnen der städtischen Kita-Vereinigung wollen die InitiatorInnen „Protest anmelden“. Am 9. Juni, soll ab 19. 30 Uhr im ver.di-Konferenzsaal im Gewerkschaftshaus (Ebene 9) ein erstes Treffen zur Koordination stattfinden. „Eine der Perspektiven könnte sein, erstmals in der Hamburger Geschichte einen hamburgweiten Erzieherstreik durchzuführen“, verrät einer der Unterzeichner des Aufrufs. Das Hamburger Kita-Chaos geht damit in die nächste Runde.