Thule-Eskimos klagen

Grönländische Inuit klagen in Straßburg gegen Dänemark auf eine Rückkehr in ihre Heimatregion

STOCKHOLM taz ■ Eine Gruppe grönländischer Inuit hat gestern beim Europäischen Menschenrechtsgerichtshof Klage gegen den dänischen Staat eingereicht. Sie wollen in ihr Land im nordwestlichen Teil Grönlands zurückkehren, das sie vor über 50 Jahren verlassen mussten. Um für die US-Militärbasis Thule Platz zu schaffen, hatte sich Kopenhagen mit Washington auf diese Zwangsumsiedlung geeinigt. Die Zerstörung ihrer Gesellschaftsstruktur führte zu wirtschaftlichem Elend und schweren sozialen Problemen.

Nach einigen Verfahren entschied Dänemarks oberster Gerichtshof im November 2003, dass den Inuit Unrecht zugefügt worden sei, und sprach ihnen Schadenersatz in Höhe von etwa 2.500 Euro pro Person zu. Ein Recht auf Rückkehr wurde allerdings verneint.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Klage in Straßburg. Die Hauptforderung: Die Thule-Basis solle verlegt werden, um den Inuit eine Rückkehr zu ermöglichen. „Sonst“, so Uussaqqak Quajaukitsoq, Sprecher des Inuit-Stamms Hingitaq 58, „ist Dänemark verantwortlich, dass wir, als die am weitesten im Norden lebende Bevölkerungsgruppe der Welt, aufhören zu existieren.“ In ihrem jetzigen Jagd- und Fanggebiet sei mangels ausreichender Naturressourcen ein Überleben nicht möglich.

Christian Harlang, Rechtsanwalt der Kläger, zeigte sich empört darüber, dass Dänemark in der vergangenen Woche ein Abkommen mit Washington geschlossen habe, das den USA das Recht zubilligt, auf der Thule-Basis eine neue Radaranlage zu errichten. Diese soll Teil des geplanten Raketenabwehrsystems NMD werden. Harlang forderte, das In-Kraft-Treten dieses Abkommens auszusetzen oder wenigstens vom Ausgang des Verfahrens in Straßburg abhängig zu machen. Eine Entscheidung dürfte nicht vor 2006 ergehen.

REINHARD WOLFF