Für Frieden und Sicherheit in Afrika

Afrikanische Union gründet feierlich einen „Sicherheitsrat“, der präventiv und kollektiv gegen Krisen, Kriege und Völkermorde in Afrika tätig werden soll. Militärinterventionen sind auch gegen den Willen der Mitglieder möglich. Sudan als erster Testfall

VON DOMINIC JOHNSON

Die Afrikanische Union (AU) hat gestern offiziell einen Sicherheitsrat gegründet, um zukünftig „zeitige und effiziente Antworten auf Konflikte und Krisensituationen in Afrika“ liefern zu können. Bei einer feierlichen Zeremonie am AU-Sitz in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba erklärte der amtierende AU-Präsident Joaquim Chissano, Staatschef von Mosambik, „froh, stolz und geehrt“ über dieses „neue Kapitel in der glorreichen Geschichte der AU“ zu sein.

Der „Rat für Frieden und Sicherheit“ ist Teil der Bestrebungen der AU, effektiver zu sein als die Organisation für Afrikanische Einheit (OAU), deren Nachfolge sie 2002 antrat. Der AU-Sicherheitsrat kann Militärinterventionen und Friedenseinsätze in Afrika durchführen – theoretisch auch gegen den Willen von Mitgliedstaaten, laut AU-Protokoll „in Bezug auf gravierende Umstände, nämlich Kriegsverbrechen, Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit“. Er hat 15 Mitglieder: Algerien, Äthiopien, Gabun, Nigeria und Südafrika für je drei Jahre; Ghana, Kamerun, Kenia, Kongo-Brazzaville, Lesotho, Libyen, Mosambik, Senegal, Sudan und Togo für zwei Jahre. Eine ständige Mitgliedschaft oder ein Vetorecht wie bei der UNO gibt es nicht. Anders als bei der OAU delegieren Afrikas Staaten innerhalb der AU zahlreiche Kompetenzen an gesamtafrikanische Gremien. Das Protokoll über die Gründung des Sicherheitsrats trat zu Weihnachten 2003 in Kraft, als die Hälfte aller AU-Mitgliedstaaten es ratifiziert hatten. Seitdem hat er schon siebenmal getagt, sodass die gestrige Zeremonie eher symbolisch war.

Gemeinsame AU-Aktionen zur Friedenssicherung waren bisher eher bescheiden. Beim letzten AU-Sondergipfel in Libyen im Februar lehnte die AU-Mehrheit den libyschen Vorschlag einer Verschmelzung aller afrikanischen Armeen in eine AU-Streitmacht ab und beschloss stattdessen, bis 2010 eine eigene AU-Armee von 15.000 Mann zu gründen. Derzeit steht die einzige AU-Eingreiftruppe in Burundi – 2.700 Soldaten aus Südafrika, Mosambik und Äthiopien – und wird zum 1. Juni in die neue UN-Blauhelmmission dort integriert. Kleinere Missionen gibt es auf den Komoren und an der äthiopisch-eritreischen Grenze.

Die Krise im Sudan, wo der Krieg in der westlichen Region Darfur nach internationaler Einschätzung zu einem Völkermord führen könnte, wird der erste Testfall des Rates. Im April hatte sich die AU bereit erklärt, einen Waffenstillstand zwischen Sudans Regierung und den Darfur-Rebellen zu überwachen. Eine dafür entsandte Erkundungsmission ist aber schon aus Sudan abgereist. Die Gründung der AU-Kommission zur Überwachung des Waffenstillstands wurde verschoben, und die erste 45-tägige Geltungsdauer des Waffenstillstands endet heute, ohne dass er eingehalten wurde.

„Wir brauchen dringende, außerordentliche Aktivitäten, mehr als bisher“, sagte Chissano gestern. „In Darfur und auch im Norden Ugandas muss Afrika Afrika helfen.“ Als weitere Brennpunkte nannte er die Spannungen zwischen Kongo und Ruanda, zwischen Äthiopien und Eritrea sowie in Burundi, Somalia und der Elfenbeinküste.

Ein großes Problem ist Geld. Die EU gründete letztes Jahr einen Fonds zur Finanzierung afrikanischer Friedenstruppen mit einem Wert von 250 Millionen Euro. Aber Afrika will auch eigene Ressourcen mobilisieren. Beim nächsten AU-Gipfel im Juli in Addis Abeba soll statt der bisherigen AU-Jahresetats von 30 bis 40 Millionen Dollar ein Vierjahresbudget von 500 Millionen Dollar verabschiedet werden, ein Drittel davon für den „Friedensfonds“ der AU. 2003 umfasste der Fonds 6,239 Millionen Dollar.