Musik mit Botschaft

Die Verhältnisse zum Tanzen bringen: Die Hamburger Popband „Die Sterne“ ist politisch geworden. Auf ihrer neuen Platte gibt es ein „Ihr“ und ein „Wir“, und zwischen beiden wird ordentlich getrennt

von Dirk Seifert

Noch nie hat die Hamburger Band Die Sterne ihren HörerInnen so wenig Spielraum gelassen, ihre Songs zu interpretieren oder für Gedankenreisen zu nutzen. Statt der ansonsten gepflegten und geschätzten Vieldeutigkeit der Songs gibt es auf der soeben veröffentlichten neuen CD Das Weltall ist zu weit klare Botschaften.

Und die sind überaus politisch. Wer bislang den Vergleich der Sterne mit der Polit-Legende Ton Steine Scherben unverständlich fand, dürfte spätestens mit dieser Platte eine Vorstellung davon bekommen, was gemeint sein könnte.

Zwölf Songs liefert die Band, in denen sie sich intensiv mit der politischen und gesellschaftlichen Situation in diesem Land auseinander setzt und versucht, die Linien zwischen „Wir“ und „Ihr“ zu bestimmen. Gegen das Gerede von Konsens setzen sie den Konflikt, fordern Einmischung und Gegenwehr. Die Sterne plädieren dafür, zu erkennen, dass „wir“ etwas gemeinsam tun müssen, wenn sich die Dinge ändern sollen.

Ein politischeres Album hat es von den Sternen bislang wohl nicht gegeben. Fast könnte man von der Neu- oder Wiedergeburt des politischen Liedes sprechen. Denn den Sternen gelingt es, eine intensive politische Auseinandersetzung in Texte zu verpacken, die nie mit erhobenem Zeigefinger daher kommt oder mit dem schlechten Gewissen der ZuhörerInnen arbeitet.

Mit Klageliedern hat das rein gar nichts zu tun. Stattdessen macht die Band klar, dass sie von ihrer eigenen Befindlichkeit auf der Seite der gesellschaftlich Destabilisierten und Ausgegrenzten singt. Sie breiten ihre eigenen Gedanken über die Wege aus dem Schlammassel aus und fordern auf zur Debatte. Zum Beispiel über die Formen des Widerstands (in dem Song „Hier kommt die Kaltfront“). Darin singt Spilker: „Gewalt ist keine Lösung / und reicht auch nicht als Strategie / und wir rufen ausdrücklich nicht dazu auf.“ Das ist keine Distanzierung von Gewalt als Mittel des Widerstands. Und er nennt es Gewalt, was diejenigen tun, die „Druck ausüben, um uns in die Knie zu zwingen“.

Von den Experten und Spezialisten können „wir“ nicht Gutes für die eigene Situation erwarten, denn „sie werden dafür bezahlt“. Stattdessen heißt es, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Voraussetzung für eine erfolgreiche Gegenwehr ist es, die eigene Lage offen zu thematisieren („Mir geht es schlecht“ in dem Song „Hier ist mein Standpunkt“) und zu verstehen, dass man damit nicht allein ist.

Dass Solidarität statt gegenseitiger Ausgrenzung von entscheidender Bedeutung ist, macht auch der Song „Wir rühren uns nicht vom Fleck“ klar. Nicht nur textlich. Um diese Botschaft noch zu unterstreichen, haben die Sterne sich für diesen Song die Unterstützung von szene-prominenten Freunden geholt. Neben Frank Spilker singen Thees Uhlmann (Tomte), Carsten Friedrichs (Superpunk), Fettes Brot, Judith Holofernes (Wir sind Helden) und andere mehr.

Und für alle, die bis hierhin nicht begriffen haben, das die Sterne es ernst meinen mit dem Aufruf zum Widerstand, dass sie Beteiligte und nicht Außenstehende sind, stellen sie im letzten Song („Wir/ihr“) noch einmal fest: „Nehmt dies als Warnung und nicht als Kunst.“ Wenn es schließlich gelingt, die Ausgegrenzten zu einem „Wir“ zu verbinden, dann kann das ohne weiteres passieren: „Wir sind die Quelle, der Anfang der Welle“ um die Verhältnisse umzubauen („Wir sind wie du“).

Für die Klarheit ihrer Texte haben die Sterne auch musikalisch umgestellt. Die typischen und sonst sehr präsenten Soul- und Funkanteile hat die Band etwas zurückgefahren. Dadurch wird das ganze Album rock-lastiger und die Texte bzw. der Gesang treten dadurch noch stärker hervor. Es geht den Sternen darum, die Verhältnisse zum Tanzen zu bringen. Nicht nur mit dem neuen Album oder beim Releasekonzert am Pfingstmontag im Knust.

Montag, 21 Uhr, Knust