Stoiber wettert gegen Prag

CSU-Chef fordert auf Sudetendeutschentreffen von Tschechien erneut die Aufhebung der Beneš-Dekrete. CSU will Druck machen auch nach EU-Beitritt des Nachbarn

NÜRNBERG/PRAG dpa ■ Bayerns Ministerpräsident Stoiber hat Tschechien vorgeworfen, mit dem Festhalten an den Dekreten zur Vertreibung der Sudetendeutschen das Zusammenwachsen Europas zu belasten. Die EU müsse auf der Streichung der so genannten Beneš-Dekrete bestehen, forderte der CSU-Chef am Sonntag beim Sudetendeutschen Tag in Nürnberg.

Tschechiens Präsident Václav Klaus wies dies umgehend zurück und nannte die Verordnungen „unantastbar“. Er sagte gestern in Prag, jeder Versuch der Streichung der zwischen 1940 und 1945 erlassenen Dekrete des tschechoslowakischen Präsidenten Edvard Beneš käme einer „Umschreibung der Geschichte“ gleich. Die Dekrete waren nach dem Zweiten Weltkrieg die Grundlage für die Vertreibung von rund drei Millionen Deutschen aus Böhmen und Mähren.

„Mit den Beneš-Dekreten als Erbe kann man Europa nun wirklich nicht aufbauen“, sagte Stoiber. Ein Mitgliedsland, das weiterhin die Vertreibung und Entrechtung von Millionen von Menschen gutheiße, untergrabe die Glaubwürdigkeit der gesamten EU. „Wir können nicht glaubwürdig gegen Vertreibungen im Kosovo oder in Afghanistan vorgehen, wenn wir in Europa selbst menschenrechtswidrige Vertreibungsdekrete dulden.

Auch nach dem Beitritt Tschechiens zur EU würden Bayern und die zehn CSU-Vertreter im Europaparlament ihren Druck auf Prag in der Frage der Beneš-Dekrete nicht verringern, sagte Stoiber. Zugleich erneuerte er den seit 50 Jahren bestehenden Patenschaftsvertrag Bayerns mit den Sudetendeutschen, von denen nach ihrer Vertreibung die meisten im Freistaat eine neue Heimat gefunden hatten.

In der Frage eines Zentrums gegen Vertreibungen in Berlin kündigte Stoiber unter dem Beifall der Kundgebungsteilnehmer in der Frankenhalle einen neuen Vorstoß an. Bereits auf der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz wolle er die Pläne für ein solches Zentrum wieder zur Diskussion stellen.

Auf dem Sudetendeutschen Tag wurde außerdem der SPD-Politiker Peter Glotz mit dem Großen Sudetendeutschen Kulturpreis 2004 ausgezeichnet. Der mit 5.115 Euro dotierte Preis wurde Glotz unter anderem für das Buch „Die Vertreibung – Böhmen als Lehrstück“ verliehen, so die Sudetendeutsche Landsmannschaft.