berliner ökonomie
: Vier Wochen Arbeit und 10 Euro Reingewinn! Heiraten baut Weinstress ab

Eigentlich hatten wir uns gar nichts dabei gedacht, drei Jahre waren wir nun schon zusammen und haben vor, es für immer zu bleiben. In solcher Lebensphase fanden wir als öffentliche Geste ein Hochzeitsfest angemessen.

Am liebsten hätten wir im Zeppelin NT gefeiert, aber das kostet für 8 Personen pro Stunde 12.000 Euro und kam deshalb nicht in Frage. Ähnlich war es mit einem Schiff auf der Spree, außer der Miete wollte der Reeder noch für jeden nicht von ihm selbst verkauften Schluck Wein eine Abstandszahlung, pro Flasche 5 Euro; nein, das war zu teuer.

Das Wasserschloss Groß Leuthen war mit einer Jugendweihe schon ausgebucht, das Buchatelier P. Wilson schien uns zu klein, so fiel unsere Wahl auf einen Veranstaltungsort namens Culpepper, eigentlich eine Cateringfirma mit einem Club auf dem Gelände des Berliner Großmarkts in der Beusselstraße, genauer gesagt, im Fruchthof.

Dann war der große Tag da, ich war so angespannt, dass ich eine Stunde wie blöde durch die Wohnung lief auf der Suche nach meiner Hose, die dann schließlich auf genau dem Stapel lag, den ich schon zehnmal durchsucht hatte.

Die Musiker seien ja richtig gut, fand mein Schwager Peter, jedenfalls wäre er mein Schwager, wenn er verheiratet wäre, von draußen habe er gedacht, die Musik käme von CDs. Eigenartig berührt kuckte die Verwandtschaft, als eine junge Frau sich einen Joint bröselte, andererseits: „Drin ist ja sowieso schon eine Opiumhöhle.“ Ahne heftete mir einen 50-Euro-Schein mit Sicherheitsnadel an das Jackett.

Erschreckend war, wie systematisch manche Gäste sich auf das Erreichen der Trunkenheit konzentrierten. Einer trank schon zur Begrüßung Prosecco um Prosecco: „Kannst mir die Flasche gleich hier lassen.“ Ein anderer holte sich immer zwei Flaschen Bier, später wurden sie auch sehr grabschig, und der eine bot das bedauernswerte Bild eines Tourette-Kranken, schrie ständig: „Ficken!“ und zeigte knurrend seine Zähne, was den Frauen doch arg auf den Senkel ging.

Robert Weber gab eine Zaubershow, erst setzte er beim magischen Anzünden der Teelichter die Tischdecke mit in Brand, aber zum Abschluss zauberte er ein wunderbares Kartenhaus. Beim Reisprasseln fürchtete ich das Schlimmste für meine Mini-DV-Kamera. Dann gab es noch die Hochzeitstorte, selbst getanzt wurde. Schließlich Tische, Bänke und Grill hineinräumen gegen drei, vier nach Hause.

Am nächsten Tag sichteten wir die Geschenke. Dabei hatten wir extra auf die Einladungen geschrieben: „Bitte keine Geschenke, wir haben doch schon alles, wir freuen uns über Spenden für unsere Weltreise.“ Aber unsere Gäste hatten sich das Schenken nicht verbieten lassen. Ein Sushi-Set und eine Kollektion besonderer Matroschkas: außen ist Ussama Bin Laden, darin Arafat, darin Saddam Hussein, Gaddafi und als letzte und kleinste Omar. Von Jochen Schmidt bekamen wir T-Shirts mit dem polnischen Nationaladler, von Michael Ebeling ein aufblasbares Krokodil, das sich dann nach Stunden mühsamen Pumpens als Sessel herausstellte, und einen Milchaufschäumer. Uli Hannemann hatte exakt sechs 5-Euro-Scheine, als Papierschiffchen gefaltet, auf eine Flusslandschaft geklebt, eine Tante hatte 5-Euro-Scheine in Schmetterlingsform als Dekoration an einen Strohhut geheftet. Ein anderer hatte uns jede Menge Hartgeld in einen kleinen Trabant aus Wachs eingeschmolzen, auch ein Eimer Ostseesand mit Sieb war dabei.

Auswertung der Hochzeitskosten: Standesamt 70 Euro, Einladungskosten 150 Euro, die Danksagungen werden noch mal dasselbe kosten. Für die Dekoration zahlten wir 150 Euro, für Bier 325, Wein 230, für Essen 900 Euro, für den Raum 500 Euro Miete, später kamen noch 50 Euro Reinigungskosten wegen des geworfenen Reises dazu. Die Tonanlage schlug mit 250 Euro zu Buche, die wunderbare Musikband „Die Marijadschis“ kostete 300 Euro, Parkverbotsschilder 25, Taxikosten 40, Fahrtkosten 100 Euro, summa summarum 3.190 Euro.

An Geldgeschenken kamen 3.200 Euro zusammen, davon allein 2.000 Euro vom Schwiegervater, was uns einen erfreulichen Reingewinn von 10 Euro bescherte bei zirka vier Wochen Arbeit. Und noch haben wir den Trabant aus Wachs nicht eingeschmolzen und den Sand nicht durchgesiebt. Und die Papierschiffchen, die auf der Flusslandschaft kleben, habe ich auch noch nicht abgelöst.

Etwas Wein ist übrig geblieben, meine Frau sieht es positiv: „Jetzt haben wir erst mal eine Weile keinen Weinstress mehr.“ Das stimmt natürlich, wie haben wir in den vergangenen Wochen, Monaten und Jahren unter dem ständigen Weinstress gelitten, und nun ist alles gut. FALKO HENNIG