Ein Erfolg im Atmosphärischen

Familienministerin Schmidt ist zufrieden nach einem Jahr „Allianz für die Familie“. Sie setzt auf die ökonomische Vernunft der Betriebe. Von Frauenpolitik ist nicht mehr die Rede – und auch nicht von einem Gleichstellungsgesetz für die Wirtschaft

AUS BERLIN HEIDE OESTREICH

Es war ein seltenes Ereignis in der bundesdeutschen Familienpolitik. Da sitzt „Wirtschaftsboss“ Ludwig Georg Braun vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und lobt die Familienministerin: Eine „hervorragend eingeleitete Initiative“, „klug getroffen“ sei der Masterplan“, diese Allianz für die Familie. So nett war die Wirtschaft schon lange nicht mehr zum Familienministerium.

Nach einem Jahr „Allianz für die Familie“ hat Schmidt vor allem eine atmosphärische Verbesserung vorzuweisen – und das ist nicht wenig. Sie hat Studien erstellen lassen, die den Unternehmen vorrechnen, dass sich die Investition in die Vereinbarkeit von Beruf und Familie lohnt: 25 Prozent Rendite hat das Prognos-Institut für diese Investitionen ermittelt. Vor allem geht es darum, hochqualifizierte Eltern nicht durch die Babypause zu verlieren. Dann hat sie Unternehmen und Bürgermeister zu überzeugen versucht, dass sie für diesen Standortvorteil etwas tun müssen. „Es war dieser ökonomische Ansatz, der den Erfolg gebracht hat“, meint Schmidt nun nach einem Jahr Reisetätigkeit. 52 Orte haben lokale „Bündnisse für Familie“ gegründet, in denen sich Betriebe, Handelskammer, Kirchen und Rathäuser überlegen, wie sie die Öffnungszeiten der Kitas, die Arbeitszeiten in dem Unternehmen und die Familienbedürfnisse unter einen Hut bringen können. An weiteren 150 Standorten berät ein zentral in Berlin eingerichtetes Servicebüro Gemeinden und Firmen. Dazu hat der DIHT ein „Checkheft“ für familienfreundliche Personalpolitik herausgebracht, das 12.000 Unternehmen bestellten. Was sich außerhalb löblicher Einzelbeispiele wirklich in der Fläche tut, ist allerdings noch nicht abzuschätzen.

Beim DGB, der ebenfalls mitmacht, indem er etwa Betriebsräte familienpolitisch schult, sieht man das Projekt insgesamt nicht ganz so euphorisch. „Es ist gut, dass mit diesen lokalen Bündnissen Druck auf die Kommunen entsteht, mehr Kinderbetreuung zu organisieren“, meint Anne Jenter, die die Abteilung Gleichstellung beim DGB-Bundesvorstand leitet. Allerdings hält sie es für fatal, dass diese Initiativen das Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft verdrängt haben. „Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, das sind die Stützräder für eine gute Frauenpolitik. Aber das Fahrrad wäre die Gleichstellung im Betrieb. Das Fahrrad fehlt“, meint Jenter.

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