Vor der Spaltung

Der DJV Berlin wird mit Billigung seines Vorsitzenden von rechts unterwandert. Tumulte und Türsteher auf der Hauptversammlung

aus Berlin ADRIENNE WOLTERSDORF
und STEFFEN GRIMBERG

Am Einlass des Versammlungssaales empfing eine Truppe äußerst schlagkräftig wirkender Männer in dunklen Anzügen die JournalistInnen. 400 der insgesamt 3.000 Mitglieder des Deutschen Journalisten-Verbands Berlin waren zur Hauptversammlung erscheinen, angesichts des Altersdurchschnitts im Saal wäre an Raufereien allerdings kaum zu denken gewesen. Während sich vorne überwiegend die älteren Herrschaften zur Routine einer Vereinssitzung eingefunden hatten, wurde draußen bei Erbsensuppe und gesponserter Schokolade hektisch die Strategie der „Putschisten“ debattiert.

Skandalumwittert war der Berliner Landesverband der Journalisten-Gewerkschaft DJV, spätestens seit den Auseinandersetzungen um seinen Presseball: Der hatte statt Geld für den Verband zu scheffeln über Jahre Verlust gemacht, wovon man den Mitgliedern nicht eben offen Bericht erstattet hatte. Im Zentrum der Kritik steht der langjährige Verbandschef Alexander Kulpok, bis 2004 Redaktionsleiter des ARD-Videotextredaktion.

Ihm gelang am Samstag dennoch der Durchmarsch: Mit 200 Stimmen wurde Kulpok im Amt bestätigt, sein Gegenkandidat Gerhard Kothy vom RBB verlor mit 173 Stimmen knapp. Zweifel an seinem Wahlerfolg musste Kulpok wohl auch nicht wirklich haben, denn man hatte rechtzeitig für Unterstützung gesorgt. Rund 45 Neumitglieder soll der umstrittene Verbandschef jüngst aus dem Brandenburgischen organisiert haben. Dort wurde der Nachbarverband Mitte Mai von einer Kamarilla strammer Jungs mit Rechtsdrall um Bernd Martin und Torsten Witt übernommen.

Die, größtenteils organisiert im Verband Junger Journalisten Berlin-Brandenburg, saß dann auch in Blockformation am rechten Rand. Witt, einst Spitzenkandidat des rechten „Bundes Freier Bürger“ in Berlin und Mitinitiator der Aktion „Holocaust-Mahnmal? Nicht mit mir!“, wurde allerdings des Saals verwiesen.

Besonders laut wurden die konzertierten Buh-Rufe der Kulpok-Claqueure, als zahlreiche Mitglieder das Wahlprozedere monierten und Kritik aus einer ganz unerwarteten Ecke kam: DJV-Sozialfonds-Geschäftsführers Justus Boehncke zählte in seiner coupartigen Rede kurzerhand die ihm bekannten Schweinereien und Unregelmäßigkeiten aus dem Verbandsleben auf. Er berichtete von Informationen über verschwundenes Geld, die Kulpok zurückhielte. Und so erfuhren die Anwesenden en passant, dass der gepriesene DJV-Sozialfonds quasi pleite sei: „Alexander Kulpok, bei dieser Wahl geht es nicht um deine Fähigkeiten, sondern um deinen Charakter.“

Unter lautem Gejohle präsentierte sich der Angesprochene, sichtlich überrascht, unterdessen unbeirrt als viel versprechender Kandidat – und gewann.

202 zu 175 lautete das Ergebnis, und ein Redner rechnete der Wahlkommission vor, sich verzählt zu haben: Das seien mehr Stimmen, als überhaupt Anwesende im Saal waren. Es folgten Tumult, wütende Zwischenrufe und eine zornige Debatte über das Wahlprozedere. Die dreiköpfige Stimmenzählkommission zählte neu. Und gab anschließend Kritikern Recht, die behaupteten, dass sich bei dem Prozedere nicht sicherstellen lasse, ob zu viele Stimmzettel abgegeben worden seien.

Kulpoks Fraktion unterstellte unterdessen den Kritikern, „nicht verlieren zu können“. Die „Versammlung war begleitet von massiven Verzögerungs- und Störversuchen einer Gruppierung, die seit Monaten verbandsschädigend als ‚Berliner Journalisten‘ firmiert“, heißt es seit gestern auf der Berliner DJV-Homepage (www.djv-berlin.de) über die Gegenkandidaten um Kothy (www.berliner-journalisten.de), die Kulpok bereits zuvor in den Verbandsmedien ins Kleingedruckte abgedrängt hatte: Im Blättchen DJV-Nachrichten nahm die Vorstellung von Kulpoks Kandidaten zehnmal so viel Raum ein wie die der Gegenseite.

Ein sichtlich überforderter Sitzungsleiter, der Anträge zur Änderung der Geschäftsordnung konsequent ignorierte oder selbst kommentierte, erklärte schließlich das korrigierte Wahlergebnis von 200 zu 173 für angenommen.

Die unterlegenen Erneuer um Kothy forderten schließlich die Unterbrechung der Wahl bis zur Klärung ihrer Gültigkeit, kam damit nicht durch und verließ die Versammlung. „Der Verband wird jetzt auf lange Zeit lahm gelegt. Ich erwarte einen riesigen Aderlass an Mitgliedern“, sagte ein DJV-Mitglied.

Es sei denn, der Bundesverband mischt sich ein. Das Debakel von Berlin sei eine „schiere Katastrophe“, hieß es gestern in höheren DJV-Kreisen. Und im Fall Brandenburg wurde auch schon gehandelt: DJV-Bundesvorsitzender Michael Konken forderte noch am Samstagabend den Rücktritt von Torsten Witt von seinen DJV-Ämtern in Brandenburg: „Im Deutschen Journalisten-Verband ist kein Platz für Rechtsextremisten.“