Mit einer Kamera aus Holz

Auf dem Filmfest Emden dominieren die englischsprachigen Filme jenseits von Hollywood – und kassieren Publikums- und DGB-Preis

Iren mögen keine Ottifanten – aber die unliebsamen Stofftiere lassen sichgegen Bier tauschen

aus EmdenWilfried Hippen

Der Wind weht über die Dünen, die Musik schwillt bedrohlich an, ein wetterfest gekleideter Mann sucht mit besorgtem Blick etwas am verlassenen Strand. Doch dann steht da eine typische ostfriesische Deern mit ungebändigtem roten Haar: Schon sitzen beide in Kinosesseln am Strand und schauen hinaus aufs Meer – als wäre es ein Film. Das ist der Trailer des diesjährigen Emder Filmfests. Er bringt die Sache nicht nur deshalb auf den Punkt, weil er ein Bild für den ganz eigenen, maritimen Charme dieses kleinen Festivals gefunden hat, sondern auch, weil er die Perspektive der Veranstalter nachstellt. Denn die spähen tatsächlich für ihre Filme am liebsten übers Meer in Richtung England

„The British are Coming“ heißt seit Jahren die interessanteste Programmschiene – die Kontakte der Festivalorganisatoren zu den britischen Filmemachern ist so gut, dass man hier jedes Jahr wieder deren wichtigste Produktionen sehen kann – es sei denn, sie laufen auf den ganz großen Kino-Festivals. Und auch dann werden sie, wie diesmal der neue Ken Loach „A Fond Kiss“ etwa ein paar Monate nach der Berlinale nachgespielt werden.

Nimmt man noch Länder des Commonwealth wie Irland oder Südafrika dazu, aus denen die beiden diesjährigen Preisträger kommen, dann hat man hier ein gutes und breit gefächertes Angebot an englischsprachigen Filmen jenseits von Hollywood. Ja, der Medienpartner NDR nutzt das Festival auch, um seine eigenen Produktionen zumindest einmal auf einer Leinwand zu zeigen. Aber das ist dann auch meist nur eine schlechte Videoprojektion im Vortragsaal der Volkshochschule. Die kann man sich getrost schenken.

Das Flair von Emden kommt dagegen im neuen Cinestar am besten zur Geltung, beispielsweise wenn dort – wie beobachtet – Schauspieler Dudley Sutton der weiblichen Bedienung am Verzehr-Counter einen Ottifanten schenkt und dafür ein Bier bekommt. Ein gestandener Ire will nicht mit einem Stofftier unterm Arm gesehen werden, aber in Ottotown bekommt halt jeder Gast feierlich solch einen Jahrmarktsgewinn überreicht.

Sutton musste später sogar noch einen davon loswerden, denn der irische Spielfilm Song for a Raggy Boy, in dem er einen katholischen Priester spielt, wurde mit dem vom Publikum bestimmten Bernhard Wicki Preis prämiert.

Die Regisseurin Aisling Walsh erzählt hier von den brutalen Zuständen in irischen Besserungsanstalten, in denen katholische Geistliche mit sadistischer Brutalität herrschen.

Ein fortschrittlicher Lehrer kämpft für die Jungen und man könnte den Film „Club der toten Dichter mit Prügelstrafe“ nennen. Aber durch die guten schauspielerischen Leistungen gerade der sehr jungen Darsteller wirkt der Streifen sehr berührend: Ein Kollege hat den ganzen Film lang geweint – was will man mehr?

Ein weiterer Höhepunkt des Programms war The Wooden Camera des südafrikanischen Regisseurs Ntshaveni Wa Luruli. Zu Recht gewann er den DGB-Filmpreis. Mit einem ebenso simplen wie effektiven dramaturgischen Trick kommt Luruli sehr nahe an schwarze Jugendliche in einem Township bei Capetown heran. Einer von ihnen findet eine Videokamera, baut diese zur Tarnung in ein hölzernes Gehäuse ein, sodass alle denken, sie sei nur ein Spielzeug. Dann beginnt der Junge seine Umgebung zu filmen. Seine Mitmenschen fühlen sich in der Gegenwart des spielenden Kindes unbeobachtet. So gelingen ihm erstaunliche Aufnahmen, die zugleich hochstilisiert und dokumentarisch wirken. Langsam entwickelt er sich immer mehr zum Künstler.

Das Filmfest Emden läuft noch bis einschließlich Mittwoch. Bis dahin werden die beiden Preisträgerfilme noch in Aurich und auf Norderney zu sehen sein. Das komplette Festivalprogramm: www.filmfestemden.de