So finden Sie Ihr Steuerschlupfloch

AUS BERLIN HANNES KOCH
UND BEATE WILLMS

1. Machen Sie es wie Vodafone.Steuern zahlen als Großkonzern – wieso eigentlich? Vodafone macht es gerade wieder vor: Vor vier Jahren hatte der britische Mobilfunkkonzern seinen deutschen Konkurrenten Mannesmann übernommen – für rund 200 Milliarden Euro. Nach neuen Berechnungen soll der Wert der Beteiligung aber schon Ende 2001 um 50 Milliarden eingebrochen sein. Diesen Verlust will Vodafone nun über eine Teilwertabschreibung geltend machen und mit den aktuellen Gewinnen verrechnen. Das verspricht Steuerfreiheit für die nächsten Jahre. Auch wenn es diese Teilwertabschreibung seit Ende 2001 nicht mehr gibt: Was Vodafone kann, kriegen Sie auch anders hin. Rechnen Sie sich arm. Und Bundesfinanzminister Hans Eichel muss Sie in Ruhe lassen. Für Raffinessen brauchen Sie findige Steuerberater, denen es Spaß macht, die Nischen und Lücken des Steuersystems gründlich zu erforschen.

2. Stellen Sie sich möglichst multinational auf.

Die Gestaltungsmöglichkeiten in Deutschland sind in den vergangenen zehn Jahren zwar verringert worden (siehe Kasten). Aber jenseits der Grenzen ist vieles möglich. Denn international gibt es zu wenig Regel- und Kontrollmechanismen, als dass man Ihnen allzu leicht auf die Schliche käme.

3. Bleiben Sie in Deutschland und bilden Sie Organschaften.

Tun Sie sich mit anderen Unternehmen zusammen, kaufen Sie sich in verlustträchtige Kapitalgesellschaften ein. Dann schließen Sie so genannte Gewinnabführungsverträge ab – und schon sind die Verluste dieser Organgesellschaften künftig Ihre. Sie können sie mit Ihren eigenen Gewinnen verrechnen, so dass letztlich möglichst wenig übrig bleibt, was zu versteuern wäre. Eine Begrenzung bei der Höhe des Betrages oder der Dauer gibt es nicht. Ein bisschen investieren müssen Sie aber schon: Unter 50 Prozent Beteiligung ist dieses Sparmodell nicht zu haben. In Frankreich liegt die Grenze bei 95 und in Dänemark 100 Prozent. Aber Vorsicht: Passen Sie auf, dass Sie keinen Lebens- oder Krankenversicherer erwischen. Die dürfen aus verfassungsrechtlichen Gründen bei steuerrechtlichen Organschaften nicht mitmachen. Auch bei Hypothekenbanken und Bausparkassen sollten Sie vorsichtig sein.

4. Lassen Sie sich nicht von Verlautbarungen der Bundesregierung abschrecken!

Als vor zwei Jahren die Gewerbesteuereinnahmen einbrachen, weil Rot-Grün auch hier die Bildung von Organschaften vereinfacht hatte, gab es einen Aufschrei der Kommunen und Gemeindepolitiker. In ganz Deutschland meldeten die Städte Alarm: Weder Bayer in Leverkusen noch BMW in München zahlten Gewerbesteuern. Sie hatten ihren Gewinn mit den Verlusten ihrer Tochterfirmen an anderen Standorten gegen null gerechnet. Die Empörung brachte die Bundesregierung zwar zu dem Lippenbekenntnis, die gewerbesteuerliche Organschaft neu zu überdenken. Mit der Idee, sie ganz abzuschaffen, konnte sie sich aber nicht durchsetzen: Mit kleinen Einschränkungen ist hier weiterhin alles möglich.

5. Verlagern Sie Ihre Einkünfte ins Ausland.

Gründen Sie eine Firma in Liechtenstein, Luxemburg oder einem anderen Steuerparadies und übertragen dieser Ihr Geld. Der Gewinn fällt dann dort an. Das ist gut, weil die Steuern dort niedriger sind als zu Hause. Da Sie das Geld in Wirklichkeit aber trotzdem brauchen, um zu investieren, leihen Sie es sich zurück und zahlen Zinsen dafür. Diese wiederum können Sie als Kosten verbuchen – und damit den im Inland verbliebenen Gewinn schmälern.

6. Gewinne im Ausland können einträglicher sein als Gewinne im Inland.

Warum? Ganz einfach: Die Körperschaftssteuer plus Gewerbesteuer beträgt in Deutschland rund 38 Prozent, in Irland liegt der vergleichbare Satz aber nur bei 12,5 Prozent. Deswegen geben Sie Ihrer Niederlassung in Dublin den Auftrag, den Verkauf Ihrer Software von dort aus zu managen. Den niedrig besteuerten Gewinn lassen Sie sich dann als Dividende von der Tochter zurücküberweisen und versteuern in Deutschland nur noch fünf Prozent des Betrags. Denn Dividenden sind zu 95 Prozent steuerfrei! Statt 38 Prozent beträgt ihre Gewinnsteuer jetzt nur noch rund 14 Prozent. Herzlichen Glückwunsch!

7. Definieren Sie Ihre Handelsvertreter im Ausland zu Tochterfirmen mit weitreichenden Kompetenzen um.

Sie sind ein Werkzeughersteller aus Nordrhein-Westfalen, der seine Rohrschneider und Gewindefräsen für die Sanitärbranche auch in Rumänien verkauft. Dafür liefern sie die Werkzeuge nach Bukarest, worauf Ihnen das deutsche Finanzamt nach erfolgreichem Verkauf die Gewinnsteuer abzieht. Macht Ihre Niederlassung in Rumänien hingegen etwas mehr, als Ihre Produkte bloß zu verkaufen, kann die Sache schon anders aussehen. Dann werden dort Kosten fällig für Marktforschung, Marketing und Kundenpflege – die sich mindernd auf ihren Verkaufserlös auswirken. Was in Rumänien wirklich passiert, kann das hiesige Finanzamt schlecht überprüfen. Deshalb kann es sinnvoll sein, auf dem Papier eine komplette Niederlassung an der Donau zu unterhalten, als nur ein Verkaufsbüro. „In diesem Rahmen gibt es immer Gestaltungsmöglichkeiten“, heißt es bei einer großen Steuerberater-Kanzlei.

8. Stellen Sie sich ein bisschen dumm bei der Frage, wie viel die von Ihnen eingekauften Leistungen wirklich gekostet haben.

Ihr Lieferant für Handy-Chips sitzt in Singapur. Wie viel die Bauteile für Ihre Mobiltelefone in Wirklichkeit kosten, kann das Finanzamt in Deutschland schlecht kontrollieren. Setzen Sie den Einkaufspreis etwas höher an, und schon fällt Ihr Gewinn ein wenig niedriger aus. Achten Sie allerdings darauf, dass Ihre Chips nicht zehn Prozent teurer sind als der Marktpreis, sondern höchstens zwei Prozent. Das wird die deutsche Finanzbehörde noch für plausibel halten. Und wieder heißt es: Steuern gespart.

9. Nutzen Sie die Gesellschafterfremdfinanzierung.

Das geht so: Holen Sie sich Ihr Geld über Darlehen oder Bürgschaften. Leihen Sie sich beispielsweise Geld von einem Gesellschafter, der an Ihrer Firma beteiligt ist. Buchen Sie die Zinsen auf Ihrer Kostenseite und verringern Sie so Ihren Gewinn. Geben Sie aber Acht, dass Sie das Verhältnis von Eigen- und Fremdkapital nicht übertreiben: Die Zinsen dürfen Sie nur abziehen, wenn Sie mindestens 40 Prozent Eigenkapital haben. Leider können Sie die Gesellschafterfremdfinanzierung seit der letzten Einschränkung im Steuervergünstigungsabbaugesetz nicht mehr ganz so ungehemmt wie früher nutzen: Wenn Sie Ihrem Darlehensgeber mehr als 250.000 Euro an Zinsen zahlen müssen, bringen Sie ihn und sich selbst in die Bredouille, weil das Finanzamt das als verdeckte Gewinnausschüttung deuten könnte.

10. Geizen Sie nicht mit Bonuszahlungen für Ihre Steuerabteilung.

Das steigert die Kreativität. Denn Sie wissen: Die Politik reagiert immer nur auf das, was sich Ihre Spezialisten ausgedacht haben. Sie haben also immer ein bis zwei Jahre Vorsprung, um ein gerade entdecktes Schlupfloch auszunutzen, bevor es gestopft wird. Mut zur Lücke!