Unter null

Keine Geschichte, kein Sprachgefühl, keine Haltung. Dafür: jahrealte Promi-Geschichten, nervige Dialoge und nacherzählte Harald-Schmidt-Folgen. „Starschnitt“ von FX Karl ist der bislang schlechteste Roman des Jahres

Fängt schon schlecht an. Nämlich mit Guido Westerwelle und Wladimir Klitschko. 310 Seiten später weiß man, das ganze Buch ist weniger lustig, spannend und klug als das erste Satzwerk in „Glamorama“. Und das schimpft in der Taschenbuchausgabe immerhin über 17 Zeilen. „Starschnitt“ heißt der langweiligste Roman, den ich dieses Jahr gelesen habe.

Greg Strasser ist Society-Reporter des Glanzmagazins Princess in München. Ein Zyniker, Frauenverschleißer, Kokser, kurzum: eine coole Sau. So stellt sich ihn Autor FX Karl vor, selbst Journalist für ein Fernseh-Kulturmagazin. Er staffiert seinen „Helden der Zeit“ aus mit einer Rolex, Brooks-Brothers-Unterhosen und lässt ihn American Spirit rauchen. So verkleidet nervt dieser seine Freunde mit Sätzen wie diesem: „Stell dir mal vor, ich soll auch die Stahnke nach ihrem Lieblingsspiel fragen.“ Greg Strasser ist kein Patrick Bateman oder Victor Ward, als den Karl ihn immer wieder mühsam zu konstruieren versucht. Wenn er den Psycho macht und seine Freundin schockieren will, sagt er, dass „dieses ganze MTV- und Viva-Ding vielleicht gar nicht so erstrebenswert ist“. Oje.

In Berlin-Mitte regt sich Strasser über die frisch zugezogenen „Düsseldorfer Fuzzis“ auf, dass ihm das Herz eng wird. Wenig später steht er dumm gekokst staunend in einem zum Club umfunktionierten Supermarkt und schwadroniert vom „deutschlandweit bejubelten Berlin-Reich“. Nicht einmal ein Puffbesuch bringt Strasser auf dunkle Gedanken, in seinem Hirn spielt nur die Kreditkarte. Von aufregenden Geschichten des Journalisten als moderner Jäger und Abenteuer ist der unerträglich gewöhnliche Strasser Sternjahre entfernt.

Quälen die Geschmacklosigkeiten im ersten Teil des Buches schon genug, wird es weiter hinten noch schlimmer. Mit bewundernswerter Ausdauer werden seitenlang jahrealte Prominentengeschichten ausgebreitet. Naddel und Bohlen, die erste Staffel von „Big Brother“, Ernst Augusts Pissgeschichte, der Boxkampf Rocchigiani gegen Michalczewski in Hannover – das war alles vor vier Jahren. Zudem hat man das Gefühl, der Autor biete dem Leser wenig mehr als eine Zusammenfassung der entsprechenden Berichte aus der Bild. Unlesbar ist auch die detaillierte Nacherzählung einer Harald-Schmidt-Sendung.

Über weite Strecken wirkt das Buch unlektoriert und viel zu lang. Es gibt keine Handlung, der Montage fehlt die Kunst und dem Ganzen die Lust am verdrehten Wort. Völlig unklar ist auch, für wen das Buch eigentlich geschrieben sein soll. Einerseits glaubt Karl, dem Leser erklären zu müssen, dass Farin Urlaub ein Mitglied der Ärzte ist, andererseits wird seitenlang in einem insiderischen Ton die Poschardt-Entlassung beim SZ-Magazin geschildert. Ohne dabei etwas zu erzählen, was nicht schon tausendmal erzählt worden wäre. Nicht mal lustigen Journalisten-Tratsch gibt es also. Außer eine unschuldige Zeit-Sekretärin als Kokserin zu denunzieren, hat Franz Xaver Karl nichts zu bieten. Dieses Buch als literarischen Beitrag zur Debatte um das verdorbene Startum in Deutschland zu verkaufen, ist eine Frechheit und unverständlich vom noch jungen und ansonsten sympathischen Verlag. HENNING KOBER

FX Karl: „Starschnitt“, Blumenbar Verlag, München 2004, 312 Seiten, 20 €