Stichwahl um Präsidentenamt in Litauen

Mit Valdas Adamkus und Kazimiera Prunskiene treffen ein Ex-Präsident und eine Ex-Regierungschefin aufeinander

STOCKHOLM taz ■ Bei der ersten Runde der Staatspräsidentenwahl warfen die LitauerInnen wieder mal alle Prognosen über den Haufen. Zwar erhielt erwartungsgemäß der frühere Präsident Valdas Adamkus mit 30,4 Prozent den höchsten Stimmenanteil. Bei der in zwei Wochen anstehenden Stichwahl wird jedoch nicht – wie allgemein erwartet wurde – Petras Austrevicius, der ehemalige Chefunterhändler Litauens bei den EU-Beitrittsverhandlungen, sein Gegner sein, sondern Kazimiera Prunskiene.

Die erste Ministerpräsidentin des unabhängigen Litauens brachte es auf 21,4 Prozent, Austrevicius lediglich auf 19,28. Die zweite Runde der Wahlen hat mehrere Ähnlichkeiten mit der vom Januar 2003, in welcher ein klar führender Adamkus von dem zweitplatzierten Rolandas Paksas geschlagen wurde. Prunskiene kam zwar auch in der Hauptstadt Vilnius hinter Adamkus auf den zweiten Platz, hat ihr hauptsächliches Stimmenreservoir aber anders als Adamkus und ebenso wie der vom Parlament abgesetzte Rolandas Paksas im ländlichen Litauen.

So erhielt sie beispielsweise in der beim AKW Ignalina gelegenen und hauptsächlich von russischstämmigen LitauerInnen bewohnten Stadt Visaginas 71 Prozent. Rolandas Paksas hatte, nachdem das Verfassungsgericht ihm selbst die erneute Kandidatur untersagt hatte, seine AnhängerInnen auch aufgefordert, für Prunskiene zu stimmen.

Um diese war es ruhig geworden, nachdem sie sich nach ihrer Zeit als Ministerpräsidentin im Gefolge von KGB-Vorwürfen politisch mehr und mehr zurückgezogen hatte. Prunskiene, die ohne Unterstützung einer der großen Parteien für ihre kleine „Union der Bauern und neue demokratische Parteien“ angetreten war und in Umfragen abgeschlagen auf dem letzten Platz landete, gilt als Kandidatin von ProtestwählerInnen.

Entscheidend für den Wahlausgang am 27. Juni könnte sein, ob der klare Sieger der Europawahl vom verangenen Sonntag, der russischstämmige Geschäftsmann Viktoras Uspaskikh, seine AnhängerInnen – wie erwartet – dazu aufruft, in der Stichwahl für Prunskiene zu stimmen. Bei der EU-Wahl kam Uspaskikh mit seiner erst vor sechs Monaten neu gegründeten populistischen „Arbeiterpartei“ auf 33 Prozent, fügte den regierenden Sozialdemokraten eine schwere Wahlschlappe zu und gilt nun als großer Favorit für die Parlamentswahlen im Herbst. Der drittplatzierte Austrevicius hat mittlerweile seinen AnhängerInnen für die Stichwahl die Unterstützung von Valdas Adamkus empfohlen.

REINHARD WOLFF

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