2 Jahre Haft wegen eines Flaschenwurfs

Justiz greift hart durch: Ein Krawalltourist vom 1. Mai muss für zwei Jahre hinter Gitter. Er hatte Polizisten beworfen

Zwei Jahre Haft werden Michael K. nicht bessern. Das sollen sie auch gar nicht. Michael K. ist ohnehin einsichtig. Er ist reuig und will nie wieder Alkohol trinken, beteuert er vor seinem Richter und den zwei Berliner Schöffinnen, die gestern über ihn zu Gericht saßen. Selbst wenn Michael K. noch trinken wollte: Die Flasche, derentwegen er zwei Jahre ins Gefängnis muss, soll seine letzte gewesen sein, und bislang war sie es auch. Denn es war Walpurgisnacht, und er warf die Flasche, noch bevor der halbe Liter Bier ausgetrunken war, auf einen Polizisten, was zu Festnahme, Verhör und Untersuchungshaft führte. Dort hat er keinen Alkohol getrunken.

Wenn der arbeitslose Tischler aus Salzwedel aber rechtstreu werden will und seine Chancen ohne das tägliche Bier gut sind, dann sind zwei Jahre Haft recht viel. Eine Bewährungsstrafe wäre allerdings nicht in Betracht gekommen, weil er einmal mit einem Rentner aneinander geraten war und seine letzte Bewährung noch lief. Das milde Jugendstrafrecht ist für den 23-Jährigen auch passé. Doch selbst die zwölf Sachbeschädigungen, mit denen das Bundeszentralregister den Graffiti-Künstler auszeichnet, können das hohe Strafmaß eigentlich nicht rechtfertigen.

Der Richter und der Staatsanwalt begründen ihren Strafwillen denn auch nicht groß mit etwas, was mit Michael K. zu tun hätte. Es geht darum, dass Michael K. zu jenen gehörte, die, anders als Michael K., noch geläutert werden müssen. Der Staatsanwalt Uwe Storm spricht von einem Kampf gegen das „Verniedlichungssyndrom“: Nur weil am 1. Mai viele Steine schmeißen, sei die Gewalt nicht weniger schlimm. Vor zwei Jahren, das gab er nach dem Prozess zu, wären nicht zwei Jahre Freiheitsstrafe herausgekommen, sondern höchstens anderthalb.

Die Berliner Justiz hat sich nun entschieden, hart durchzugreifen. Sie hatte so viele Steine- und Flaschenwerfer wie nie in U-Haft gesteckt, fast 100. Die meisten, die noch sitzen, werden wie Michael K. wohl erst nach ihrem Prozess rauskommen. Das kann aber noch dauern, der Prozess gegen Michael K. war einer der ersten. In diesem Jahr soll nämlich nicht nur härter gestraft, sondern auch gründlicher ermittelt werden. Bis der letzte Steinwurf auf den Videos der Polizei ausgewertet ist, können also noch Wochen vergehen.

Solche Härte ist auch eine Reaktion darauf, dass am 1. Mai nicht mehr linke Jugendliche den Schweinestaat bekämpfen, sondern arbeitslose ihre Langeweile. „Leuten, die aus ideologischen Gründen Steine schmeißen, ist auch die Strafe egal, aber nicht den Krawalltouristen“, sagt Staatsanwalt Storm aus der Staatsschutzabteilung.

Es klingt fast so, als würde er sich nach den alten, linken Krawallos sehnen. „Ich versteh die heute einfach nicht“, sagt er, obwohl er die Szene in der Walpurgisnacht selbst beobachtet hat. Aus unerfindlichen Gründen hätten manche Jugendliche und einige Polizisten einfach Spaß am Kampf. „Eigentlich könnte man die das auch auf einem stillgelegten Flugfeld austragen lassen“, findet er. In dem Fall müsste niemand zwei Jahre in Haft. Pech für Michael K. aus Salzwedel.

MAREKE ADEN