„Weltweit nie so unbeliebt wie heute“

Aus Sorge um die Sicherheit der USA fordert eine Gruppe von 27 ehemaligen Militärs und Diplomaten aus beiden politischen Lagern die Abwahl der Regierung Bush und einen grundlegenden Schwenk in der Außenpolitik der Vereinigten Staaten

aus Washington MICHAEL STRECK

Es ist ein bislang einmaliger Vorgang im politischen Geschäft der US-Hauptstadt: 27 ehemalige hochrangige Militärs und Diplomaten forderten am Mittwoch öffentlich einen Regimewechsel im Weißen Haus. Präsident Bush gefährde mit seiner Außenpolitik die Sicherheit der USA, begründen sie ihren Schritt.

Der Gruppe mit dem Namen „Diplomaten und Militärkommandeure für einen Wechsel“ gehören Republikaner und Demokraten an, darunter der pensionierte Marinegeneral Joseph Hoar, einst Kommandeur der US-Truppen im Nahen Osten, Admiral William Crowe, unter Präsident Ronald Reagan Generalstabschef der US-Streitkräfte, und William Harrop, Botschafter in Israel unter Bush senior.

Ihre Hauptkritik richtet sich gegen die Präventivschlagsdoktrin von Bush junior, dessen Hang zu internationalen Alleingängen und die sträfliche Vernachlässigung der Diplomatie. Die amerikanische Führungsrolle sei durch Stil und Substanz des Gebarens dieser Regierung hochgradig geschwächt, sagte Harrop. „In unserer ganzen Geschichte sind wir weltweit niemals so unbeliebt gewesen wie heute.“ Um dieses Image zu ändern, sei eine neue Regierung notwendig.

Auch Phyllis Oakley, Außenamtssprecherin unter Präsident Reagan, glaubt, dass nur eine Abwahl von Bush und ein neues Außenpolitik-Team Amerika aus seiner Isolation herausführen und einen fundamentalen Strategiewechsel einleiten können.

Der Aufruf bildet den vorläufigen Höhepunkt einer Reihe öffentlicher Protestbekundungen einstiger prominenter Staatsdiener, die alle in die gleiche Kerbe schlagen. Der ungewöhnliche Gruppenprotest kommt jedoch ironischerweise zu einem Zeitpunkt, da sich Bush als Freund multilateraler Institutionen und Entscheidungen zu porträtieren versucht. Sein anhaltendes Popularitätstief daheim und das Pulverfass Irak haben ihn – ob aus Taktik oder Einsicht, sei dahingestellt – zu einem graduellen Kurswechsel veranlasst. In seiner Not besann sich der Präsident plötzlich auf die UNO und europäische Verbündete und zeigte sich kompromissbereit. Bushs Wahlkampfberater werden daher die Vorwürfe der Polit-Promis zurückweisen.

Nach deren Ansicht, der auch viele Nahost-Experten beipflichten, handelt die Bush-Regierung zwar mittlerweile pragmatischer und weniger ideologisch. Insgesamt ist sie jedoch weiter unfähig oder unwillig, die Realitäten vor Ort im Irak und in der arabisch-muslimischen Welt anzuerkennen. Demnach sitze das Misstrauen in der Region gegenüber den USA so tief, dass alle Demokratisierungsinitiativen in Zukunft viel schwieriger sein werden. Zudem hätten die USA ihre moralische Autorität verspielt. Doch die möglicherweise schwerwiegendste Konsequenz sehen die Unterzeichner des Appells darin, dass die USA durch den Irakkrieg geopolitisch geschwächt wurden. Bestes Beispiel: der Abzug tausender US-Soldaten aus Südkorea, um den Irak zu stabilisieren.

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