Bundestag drückt sich vor Kolonialzeit

100 Jahre nach dem deutschen Vernichtungskrieg gegen die Herero und Nama im heutigen Namibia verabschiedet der Bundestag einen Beschluss „zum Gedenken“, der vor allem versucht, Konsequenzen aus der Geschichte zu vermeiden

AUS BERLIN DOMINIC JOHNSON

Keine Entschuldigung, keine Wiedergutmachung, und auch das Wort „Völkermord“ kommt nicht vor. Was der Bundestag am Donnerstagabend zum 100. Jahrestag des deutschen Völkermords 1904 an den Herero im heutigen Namibia verabschiedet hat, stellt keinen Fortschritt gegenüber der bisherigen politischen Linie Deutschlands dar.

Im Beschluss „zum Gedenken an die Opfer des Kolonialkrieges im damaligen Südwestafrika“, verabschiedet mit den Stimmen der rot-grünen Koalition, ist lediglich von einem „Feldzug“ und der „blutigen Niederschlagung der Aufstände“ die Rede. Und der Beschluss bestätigt lediglich den bestehenden Beschluss von 1989, als der Bundestag schon einmal Deutschlands „besondere Verantwortung für Namibia“ hervorgehoben hatte.

Der so genannte Herero-Antrag sollte eigentlich ausdrücken, dass Deutschland in diesem Jubiläumsjahr mit seiner finsteren Kolonialgeschichte in Afrika ehrlicher umgehen muss. Er ging von einer Gruppe bündnisgrüner Abgeordneter aus, die damit auch einen Beitrag zu einer kohärenteren deutschen Afrikapolitik leisten wollten. Aber nach Intervention mehrerer Ministerien ist davon kaum etwas übrig geblieben.

„Das Volk der Herero existiert weiter und konnte seine Kultur wiederbeleben und ausbauen“, stellt der Bundestag lapidar fest. Er „begrüßt, dass mit der Entschließung im Jahre 1989 die besondere historische und moralische Verantwortung Deutschlands vom Deutschen Bundestag deutlich erklärt worden ist und bekräftigt diese Entschließung angesichts des historischen Datums“. Die Bundesregierung wird aufgefordert, „die guten bilateralen Beziehungen weiter zu vertiefen“ und „die Entwicklungszusammenarbeit mit Namibia auf hohem Niveau weiter fortzuführen“.

Erste Entwürfe hatten darüber hinaus noch den Zusammenhang zwischen der „Enteignung von Herero und Nama“ und der ungleichen Landverteilung in Namibia hergestellt und daher Unterstützung für eine Landreform in Namibia als dritte Forderung an die Bundesregierung genannt. Diese Forderung ist weggefallen, und die Enteignungsformulierung wurde in „Vertreibung einheimischer Bevölkerungsgruppen“ geändert, um keine Schadensersatzansprüche zu ermöglichen. Die Bundesregierung fürchtet, dass Herero-Klagen gegen Deutschland zu Wiedergutmachungsverpflichtungen führen könnten.

Aus diesem Grund wurde auch ein ausführlicher historischer Exkurs komplett aus dem Antrag gestrichen. Die „vermeintlichen historischen Fakten“, so das Auswärtige Amt in einer Stellungnahme, seien „tatsächlich äußerst umstrittene Schlussfolgerungen einzelner Historiker“, und überhaupt gehe es „um das kommerzielle Interesse von Klägeranwälten an gerichtsverwertbaren Tatsachen, nicht um Völkerrechtsfragen oder die historische Wahrheit“.

Diese Querelen überschatteten jedoch nicht die fraktionsübergreifende Betroffenheit im Bundestag am Donnerstag. Zwar fiel auch dort das Wort „Völkermord“ nicht, aber immerhin sagte der Grüne Hans-Christian Ströbele: „Die Deutschen haben nicht nur einen Vernichtungskrieg geführt. Sie haben die ersten Konzentrationslager der deutschen Geschichte eingeführt. Von den 80.000 Herero, die vor Beginn des Krieges gezählt worden waren, haben ca. 15.000 den Vernichtungskrieg überlebt. Von den ca. 20.000 Nama waren es ca. 9.000. An diese deutschen Taten erinnern wir uns heute.“ Und er erlaubte sich den Hinweis: „Ich hätte mir diesen Antrag anders gewünscht.“