Rückkehr der Superhelden

Die Beastie Boys reproduzieren auf ihrem neuen Album „To The 5 Boroughs“ erstaunlich viele New-York-Klischees

Musikalisch ist die Platte überraschend gut, aber inhaltlich profund harmlos

Ein wenig kommt es einem vor wie die Rückkehr von Superhelden, die keiner gerufen hat. Sechs Jahre lang gab es kein Album von den Beastie Boys, und man müsste lügen, würde man behaupten, ein solches vermisst zu haben. Ihr Drama hatte seine fünf Akte gehabt, von ihrem triumphalen Beginn als durchgedrehte B-Boy-Punks in den mittleren Achtzigern über ihre Neuerfindung als HipHop-Band einige Jahre später, der in den frühen Neunzigern schließlich ihre einzigartige Fusion von Rap und Funk auf der Basis gründlichen Abgehangenseins folgte. Schon das letzte Album wäre eigentlich nicht nötig gewesen, als Zeugnis des Niedergangs nahm man es aber wohlwollend zur Kenntnis. Fünf Alben, vier Klassiker. Nach der Veröffentlichung von „Hello Nasty“ gab es bei MTV einen Lifetime Achievement Award. Das hätte gereicht.

Nun sind die Beastie Boys aber keine gewöhnliche Band. In den frühen Neunzigern pilgerte Ad Rock nach Tibet, um sich vor Ort über die Unterdrückung der Tibeter durch die chinesischen Besatzer zu informieren, und vermutlich weil sie mit Teenagerhymnen wie „Fight For Your Right To Party“ und einem mehrere Meter hohen Gummischwanz, der Bier ins Publikum spritzte, schon genug Verheerungen angerichtet hatten, schrieben sich die gereiften Beastie Boys damals die Weltverbesserung hinter die Ohren. Ein Anliegen, das sie auch nicht aufgaben, als bei dem von ihnen organisierten „Free Tibet“-Konzert im Jahr 1998 der Blitz einschlug und einen Besucher tötete. Dass sie also einen Doppelschlag gegen das Weltkarma wie die Angriffe vom 11. September und den Irakkrieg George W. Bushs persönlich nehmen und nicht auf sich sitzen lassen würden, hätte man sich schon denken können, als sie vor gut einem Jahr mit ihrem Antikriegssong „In A World Gone Mad“ versuchten, Letzteren aufzuhalten.

Mit „To The 5 Boroughs“ (Capitol) legen sie nun ein Album nach, benannt nach den fünf New Yorker Stadtteilen und konzipiert als Hommage und Liebeserklärung an ihre gebeutelte Heimatstadt. Es ist eine musikalisch überraschend gute Platte. Dass sie trotzdem nicht wirklich funktioniert, liegt an ihrer profunden Harmlosigkeit: Es ist ein Album, das sich anhört wie die musikalische Entsprechung jenes Entwurfs für die Ground-Zero-Neubebauung, der vorsah, an die Stelle des zerstörten World Trade Centers ein World Cultural Center zu errichten. Der Impuls ist verständlich, das Ergebnis –trotzdem oder gerade deshalb –Kitsch.

Und das liegt weniger an den Lyrics, auch wenn Zeilen wie „George W got nothing on we / We got to take the power from he“ („That’s It That’s All“) um einiges jenseits dessen liegen, was man gemeinhin als Schmerzgrenze zu einem durch keinerlei politische Übereinstimmung mehr entschuldbaren Gefühl existenzieller Peinlichkeit empfinden würde. Große Rapper waren die Beastie Boys noch nie, ihre Reimschemata sind die gleichen wie immer. Das wissen sie auch: Ob gelungener Scherz oder nicht, im Booklet ihrer Platte lassen sie ihre Texte von einem Editor kommentieren, der dem Säzzer der taz nicht unähnlich ist.

Die Harmlosigkeit der Platte liegt in dem New-York-Bild, das sie entwirft. Nicht dass prinzipiell etwas falsch wäre an „Brownstones, water towers, trees, skyscrapers. Writers, prize fighters and Wall Street traders. We come together on the subway cars. Diversity unified, whoever you are“ („An Open Letter To NYC“). Aber es ist ein widerspruchsfreies und von all den Konflikten gereinigtes Bild, die zu thematisieren bis heute Existenzgrundlage von HipHop ist.

Nun standen die Beastie Boys immer quer zur gängigen HipHop-Folklore und waren nie Teil des großen Rap-Monopolys mit seinen gefährlichen Straßen und teuren Hotels. Doch wer sich als verspätete Superhelden-Combo inszeniert, die ihre geliebte Heimatstadt vor den Heimsuchungen verschiedenster Übeltäter zu schützen sucht, sollte ein wenig mehr bieten, als einfach nur die Klischees zu reproduzieren, die einen aus jeder Broschüre der Touristeninformation genauso anlachen. Zumal es der Platte mit ihren Old-School-Bezügen und ihren Electro-Anklängen auf einer musikalischen Ebene durchaus gelingt, dem Sound jener Zeit, als das World Trade Center noch stand, würdige Reverenz zu erweisen. TOBIAS RAPP