Regenbogenzebra

Zagrebs Queer Festival hat viele Gegner. Und einen couragierten Chef

aus Zagreb KATJA WINCKLER

Für die Demonstranten ist die Sache klar. „Homosexualität ist eine Sünde gegen Menschen und gegen Gott“, haben sie auf Schilder geschrieben. Oder „Unmoral im Namen der Kultur“ und „Eine Schande bei der geringen Geburtenrate“. Rund fünfzig Menschen protestieren vor dem Kino Europa gegen Queer Zagreb, das Schwulen-und-Lesben-Festival in Kroatiens Hauptstadt. „Homosexualität ist wider die Natur. Satan hat diese Menschen verblendet“, sagt die 26-jährige Opernsängerin Loredana. Die 19-jährige Schülerin Maja holt eine Bibel hervor und zeigt auf mit Leuchtstift markierte Stellen, die angeblich Homosexualität untersagen.

Die Demonstranten gehören der reformistischen Kirche an, man könnte sie als Spinner abtun. Doch innerhalb kürzester Zeit gesellen sich viele Passanten hinzu, um gegen das Gay-Festival zu protestieren. Vor dem Kino, in dem zur Eröffnung der israelische Film „Yossi & Jagger“ gezeigt wird, bilden sich zwei Fronten. Unter Polizeischutz betreten die rund fünfhundert Festivalbesucher das Kino. „Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man darüber lachen“, sagt der 24-jährige bisexuelle Vinko, der Spanisch und Englisch studiert. „Das sind ja Zustände wie in einigen US-Bundesstaaten.“

Mit Schwulen und Lesben hat man in Zagreb offensichtlich ein Problem. Für den Veranstalter des Festivals, Zvonimir Dobrović, ist das nichts Neues. Er ist erleichtert, dass es auf dem einwöchigen Festival, das von Ende April bis Anfang Mai stattfand, keine Ausschreitungen gab wie im Juni 2002, als Zagrebs Schwule und Lesben zum ersten Mal den Christopher Street Day mit einer Parade begingen und es trotz massiven Polizeischutzes zwanzig Verletzte gab. Nicht nur Skinheads und Fußballfans schlugen damals zu, wie es viele Zagreber rückblickend gerne darstellen. Auch ganz gewöhnliche Kroaten prügelten auf die Demoteilnehmer ein. Vor einem Jahr startete Dobrović dann sein Queer-Festival. Auch das sorgte in der 800.000-Einwohnerstadt für Unruhe. „Dass auch in diesem Jahr die Veranstaltungen sehr gut besucht waren“, so der Veranstalter, „hat uns wieder gezeigt, wie wichtig das Festival für die Homosexuellen in Kroatien ist. Denn wir stehen ja mit unserer Schwulen-und-Lesben-Bewegung noch ganz am Anfang.“ (Infos unter www.queerzagreb.org)

Dobrović ist so etwas wie ein leiser Revolutionär. Der bescheiden auftretende 25-Jährige, der an der Universität Zagreb gerade seinen Abschluss in Politikwissenschaft absolviert, engagiert sich seit Jahren für Kultur- und Aktionsprojekte. Vier Jahre lang war er stellvertretender Chefredakteur der nationalen Studentenzeitung. Außerdem arbeitete er als Programmkoordinator von Eurokaz, Zagrebs Theaterfestival. Ihm schwebte ein ähnliches Festival für Schwule und Lesben vor. „Ich wollte einen Rahmen für schwule und lesbische Künstler schaffen, in dem sie keiner mehr übersehen kann. In Kroatien ist es sehr wichtig, sichtbar zu machen, dass es diese Gay Community gibt. Denn nach dem Ende des Kommunismus und in unserer Nachkriegsgesellschaft spielen Nationalismus, religiöser Fundamentalismus, Militarismus und patriarchale Strukturen eine große Rolle.“

„Queer Zagreb“ war im vergangenen Jahr das erste Queer-Festival auf dem Balkan. Damals gab es eine Mischung aus Kongress, Film-, Kunst- und Theaterfestival. In diesem Jahr waren rund sechzig Dokumentar- und Kurzfilme zu sehen. Ein weiterer Schwerpunkt: Musikveranstaltungen. Über hundert Künstler aus fünfzehn Ländern waren zu Gast. Dobrović ist ein Meister im Knüpfen internationaler Kontakte. Bei der diesjährigen Berlinale saß er in der Teddy-Jury. Viele der dort gezeigten Filme waren später in Zagreb beim Queer-Festival zu sehen, etwa der erste Drag-Queen-Film Indiens oder Claes Liljas „Beyond Vanilla“, der sich mit verschiedensten Formen von Sexualität auseinander setzt. Dobrović organisierte aber auch einen Drag-King-Workshop, in dem kroatische Lesben lernten, mit Geschlechterrollen zu spielen. Und auf Einladung des Zagreber Goethe-Instituts Inter Nationes legte die lesbische türkische DJane Ipek aus Berlin auf, bekannt durch ihren Gayhane Oriental Dancefloor im SO 36.

In Zagreb ein solches Festival zu organisieren erfordert Mut. „Wenn man sich hier outet, kann es an einigen Orten passieren, dass man getötet wird. Bei uns herrschen klare Vorstellungen, was es bedeutet, ein Mann zu sein“, so Dobrović. Deshalb gibt es in Zagreb auch so gut wie keine offiziellen Treffpunkte für Schwule, neben der Gay-Bar Global und einer kleinen Sauna nur ein paar gayfreundliche Bars und Cafés. Schwules Leben, schreibt der Reiseführer „Lonely Planet“ treffend, spiele sich ausschließlich im Untergrund ab. „Es ist quasi unsichtbar.“ Die meisten Homos nehmen übers Internet Kontakt miteinander auf, erzählt Dobrović.

Aber er will nicht jammern. „Während die Gays der Länder, die seit über dreißig Jahren aktiv sind, ihre politischen Ziele größtenteils aus den Augen verloren und sich hauptsächlich zu einer reinen Spaßgemeinschaft entwickelt haben, haben wir die einmalige Gelegenheit, Wahrnehmungen und Ansichten von Normen, Identitäten und der Community zu definieren.“

Rudolf Bartsch, Leiter des Goethe-Instituts Inter Nationes und Mitveranstalter des Festivals, beobachtet die politische Stimmung in Kroatien mit Sorge. Seit im vergangenen Herbst die Nationalisten an die Macht kamen, habe sich der Rechtsruck verstärkt, so Bartsch. „Wir haben es mit einer gespalteten Gesellschaft zu tun, die von leicht faschistoiden Tendenzen durchsetzt ist. Auf der einen Seite befindet sich Kroatien noch in der alten Welt, auf der anderen Seite schon in der neuen. Dieser Wandel ist ein schmerzhafter Prozess.“

Und er braucht Zeit. Wenn der bisexuelle Vinko mit seiner chinesischen Freundin durch die Stadt geht, müssen die beiden abfällige Bemerkungen über sich ergehen lassen. „Es ist widerlich, wie rückwärts gewandt die Menschen hier teilweise sind. Die katholische Kirche hat einen unglaublichen Einfluss. Und der Krieg hat ein Übriges getan, liberale Tendenzen nicht gerade zu fördern“, sagt er.

Im benachbarten Serbien sieht es nicht besser aus. Im Juni 2001 hatten Extremisten der Gruppe „Obraz“ (Ehre) hundert Schwule und Lesben verprügelt und verjagt, als diese den ersten Christopher Street Day feierten. Deshalb bildete sich im August 2003 das Bündnis „Pride“, das in diesem Juli den zweiten Christopher Street Day in Belgrad veranstalten will. Die Veranstalter wollen dafür sorgen, dass ein Übergriff nicht noch einmal passiert: Sie sammelten in vielen europäischen Ländern auf Solidaritätsveranstaltungen Geld für Sicherheitsleute.

Für viele Schwule und Lesben in Kroatien, aber auch in Serbien und Bosnien-Herzegowina ist das Queer Festival ein Zeichen der Hoffnung. Die Homosexuellen wollen sich nicht länger verstecken. Für die 26-jährige Jelena bietet das Festival Rückendeckung für die schwul-lesbische Minderheit. „Die Regierung will, dass Frauen zu Hause bleiben und Kinder gebären. Wer nicht verheiratet ist und keine Kinder hat, fällt auf und wird diskriminiert.“

Auch Kunst hat sich dem Diktum der Konservativen zu beugen. Die Arbeit des 25-jährigen Kroaten Silvio Vujičić im Rahmen des Festivals blieb nicht lange erhalten. Der Künstler hatte Zagrebs prominentesten Zebrastreifen mit Regenbogenfarben, dem Zeichen der Homobewegung, versehen. Eine Provokation, da sich der Zebrastreifen ausgerechnet auf der Straße befindet, die nach Anton Mihanović benannt ist, der die kroatische Nationalhymne schrieb. Hier hatte vor zwei Jahren die Gay Parade stattgefunden, auf der es zu den Ausschreitungen kam. Die Provokation des Künstlers wurde offensichtlich verstanden: Schon nach ein paar Stunden hatte jemand das Kunstwerk mit schwarzer Farbe zerstört.

Dennoch ist Zvonimir Dobrović optimistisch: „In Kroatien zu leben ist für mich wunderbar, weil es hier noch viel zu tun gibt. Wir befinden uns im Aufbruch. Wenn man heute ein Pärchen Hand in Hand laufen sieht, kann man sicher sein, dass es ein Mann und eine Frau sind. Irgendwann wird die Zeit kommen, dass man ein Pärchen sieht, und es ein lesbisches oder schwules sein wird. Ich bin darauf gespannt.“

Katja Winckler, 36, lebt als freie Journalistin in Berlin