Das Licht in Olafurs Welt

Leuchttürme und spiegelnde Seen: Bei Olafur Eliasson, gerade mit einem hohen Preis ausgezeichnet, ist die Technik offensichtlich und die Anmutung der Natur trotzdem nicht fern. Das Kunstmuseum Wolfsburg zeigt seine Arbeiten mit Licht, Spiegelungen und anderen Irritationen der Wahrnehmung

VON TIM ACKERMANN

Wenn Wasserfälle aufwärts fließen und die gelbe Sonne mitten in einem englischen Museum im Nebel versinkt, kann nur einer dafür verantwortlich sein: Olafur Eliasson. Der in Dänemark geborene isländische Künstler beschäftigt sich am liebsten mit dem, was Isländer auch in Expo-Pavillons am besten präsentieren: die Natur im Zeitalter ihrer technischen Reproduzierbarkeit. Es pumpt, brummt, leuchtet und am Ende sieht alles aus wie echt – oder etwa doch nicht?

Im Kunstmuseum Wolfsburg kann man sich jetzt vom Können des isländischen Technikillusionisten überzeugen. Die Ausstellung „Your Lighthouse“ zeigt dreizehn großräumige Arbeiten, die zwischen 1991 und 2004 entstanden sind und sich mit Licht, Spiegelungen und den Grenzen der Wahrnehmung auseinander setzen. Die Vernissage von Eliassons Schau markierte ein besonderes Datum für das Museum: Vor exakt zehn Jahren öffnete es zum ersten Mal seine Pforten. Seither hat die Museumsleitung viele schöne Ausstellungen gemacht und deshalb verzeiht man gern die Hinweise auf den Sponsor „Volkswagen“ in jeder Pressekonferenz. „Your Lighthouse“ – das ist natürlich ein selbst gebasteltes Geburtstagsgeschenk!

Seit seinem viel beachteten „Weather Project“, das bis vor kurzem in der Londoner Tate Modern zu sehen war, ist Olafur Eliasson dauerhaft auf den Olymp der wichtigen zeitgenössischen Künstler geklettert. In Essen wurde ihm gerade der mit 50.000 Euro dotierte „mfi Preis Kunst am Bau“ für eine Skulptur in München verliehen. Manchen Kritikern sind die künstlichen Seen und Sonnen des Isländers allerdings ein Gräuel: Sie schlagen Kitsch-Alarm.

Solchen Verdächtigungen bietet „Your Lighthouse“ wenig Angriffsfläche: Bei der Konzentration auf Arbeiten zum Thema Licht tritt die Komponente Naturimitation gegenüber dem intellektuelleren Schwerpunkt Selbsterfahrung durch Technik zurück. Eliasson hat einen Ausstellungsparcours geschaffen, der verspielt und gleichzeitig minutiös durchgeplant ist. Die Besucher laufen durch die Räume, wie Versuchstiere durch ein wissenschaftliches Labyrinth: Willkommen in Olafurs Welt!

Gleich beim Eintritt in das Eliasson-Universum wird die Wahrnehmung des Besuchers irritiert: Monofrequenzleuchten tauchen den ersten Raum in tiefes Orange. Die Menschen darin erscheinen grau, bis das Gehirn versucht, die Farben aus dem Gedächtnis zu rekonstruieren. Hilflos muss man erfahren, wie Technik das eigene Auge manipulieren kann – ein Gefühl, das durch die Installation „360[ o]room for all colors“ auf die Spitze getrieben wird: Der Besucher ist von einer kreisrunden Leinwand umgeben, die durch monofrequentes Licht abwechselnd in verschiedenen Farben illuminiert wird – von Blau über Grellweiß zu Hellrot. Man braucht ein paar Sekunden, um sich an den neuen Ton zu gewöhnen. In diesem Zeitraum verspürt der Besucher die Irritation körperlich: Fans der 3-D-Bücher, die Mitte der Neunzigerjahre in Mode waren, kennen das Gefühl, wenn der Schalter im Gehirn umgelegt wird.

Licht kann bei Eliasson nicht nur verwirren, es scheint als physikalische Kraft fast gewalttätig. Das bringt den isländischen Künstler in eine machtvolle Position, die er eigentlich gar nicht schätzt: „Meine Kunst ist keine Magie, sondern total durchschaubar, weil die Lampe mit im Raum ist“, erklärt Eliasson. Die Manipulation wird vorgeführt. Der Isländer sieht seine Arbeiten als Angebote, die eigene Wahrnehmung zu hinterfragen – und somit auch als eine Form von Gesellschaftskritik.

Ob der Künstler die Museumsbesucher zu kritischeren Bürgern macht, bleibt allerdings zweifelhaft. Denn auch in Wolfsburg werden Naturimitationen und Lichtspielereien gezeigt, deren Schönheit den Betrachter manchmal einfach nur fasziniert: ein drehbarer Spiegel etwa, dessen Schatten eine „Wandfinsternis“ hervorruft. Oder die hypnotische Installation „Your yellow versus red versus blue“, bei der Licht durch drei rotierende Scheiben aus Farbeffektglas fällt. Kreise aus Primärfarben jagen sich über die Wände, durchdringen und verbinden sich zu flüchtigen Farbnuancen.

Eindrucksvoll ist auch das Finale des Parcours – die Nachbildung eines Sees, der über die volle Grundfläche des Museums reicht; er ist aus Spiegelfolie und fängt den Himmel über dem Gebäude ein. Kitschig? Manchmal darf Olafurs Welt ruhig ein bisschen Disney World sein.

Bis zum 5. September, Katalog (Hatje Cantz) 29,80 €