Abu Ghraib: US-Geheimdienst foltert mit

Soldat des militärischen Nachrichtendienstes zur taz: Im Irak folterten nicht nur Militärpolizisten, sondern auch Angehörige seiner Einheit. Ausmaß des Missbrauchs werde vertuscht und die Beteiligung der Geheimdienstler geleugnet

BERLIN taz ■ Im Skandal um die Folterungen irakischer Gefangener im Abu-Ghraib-Gefängnis hat ein in Heidelberg stationierter US-Soldat die amerikanische Armee beschuldigt, das Ausmaß der Misshandlungen systematisch zu vertuschen. Zudem warf Unteroffizier Samuel Provance in einem Interview mit der taz drei Angehörigen seines im Irak eingesetzten Bataillons vor, an Misshandlungen beteiligt gewesen zu sein. Die Verfahren gegen die Soldaten seien jedoch eingestellt worden, obwohl den Vorgesetzten die Vorwürfe bekannt gewesen seien. Die von Provance beschuldigten Soldaten gehören dem 302. Bataillon des Militärischen Nachrichtendienstes an.

Bestätigt werden die Vorwürfe von zwei weiteren Angehörigen des 302. Bataillons in Heidelberg, die jedoch namentlich nicht genannt werden wollen. Bislang hat sich die US-Regierung bemüht, die Folterungen als Einzeltaten einiger Militärpolizisten herunterzuspielen. Darüber hinausgehende Verwicklungen übergeordneter Militärnachrichtendienstler hat sie stets abgestritten.

Provance war zusammen mit elf weiteren Soldaten des 302nd Military Intelligence Battalion von September 2003 bis Februar 2004 in Abu Ghraib stationiert. Drei von ihnen waren laut Aussagen des 30-jährigen Unteroffiziers an den Folterungen beteiligt. „Sie haben als bewaffnetes Wachpersonal an den Verhören teilgenommen und den Gefangenen körperliche Gewalt zugefügt“, berichtete Provance. „Sie selbst haben allen anderen Soldaten in Abu Ghraib davon erzählt, wie sie die Gefangenen geschlagen haben. Auch Ausziehen, sexuelle Erniedrigung und Einschüchterungen mit Hunden gehörten bei den Verhören zur Routine.“ Einer der drei beschuldigten Soldaten habe zudem einen Gefangenen gezwungen, einen Umhang wie Superman zu tragen und damit durch den Raum zu rennen. Wie Provance berichtete, waren die drei Soldaten vor einigen Wochen von einem internen Militär-Untersuchungsausschuss nach Washington einbestellt worden. Zu den angekündigten Verhören sei es jedoch nie gekommen, da die Verfahren vorher ohne Begründung eingestellt worden seien.

Bislang ist Provance der einzige Angehörige des US-Militärnachrichtendienstes, der sich öffentlich zu der Foltervorwürfen geäußert hat. Provance, der nach eigenen Angaben nicht an den Verhören in Abu Ghraib beteiligt war, sondern für die Wartung des Computersystems und der streng geheimen Datenbanken mit den Auswertungen der Verhöre zuständig war, geht mit seinen Vorwürfen gegen die US-Armee noch weiter. Er behauptet, dass auch der stellvertretende Nachrichtendienstchef des US-Heeres, General George Fay – der die interne Untersuchungskommission zu den Vorfällen in Abu Ghraib leitet –, die Beteiligung des Militärgeheimdienstes an den Folterungen vertuschen wolle. „Als ich im Mai von General Fay verhört wurde, wollte er überhaupt nicht hören, was ich über den Militärnachrichtendienst wusste. Er hat immer nur nach den Verfehlungen der Militärpolizisten gefragt.“

KIRSTEN GRIESHABER

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