„Ich bin ja sowieso für die Franzosen“

Daniel Cohn-Bendit hat Einwanderung in die Nationalelf gefordert. Aber Kuranyi, Podolski, Brdaric, Bobic und Miroslav Klose haben nicht getroffen. Ein Erklärungsversuch

Vor der EM stellte Daniel Cohn-Bendit in der taz die These auf, die CDU/CSU sei wegen jahrzehntelanger Verschleppung einer Änderung im Staatsbürgerrecht schuld an der Fußballmisere. Nach dem Ausscheiden der Nationalmannschaft, bei der vier nicht in Deutschland geborene Stürmer das Tor nicht trafen, wollten wir wissen: Stimmt das?

taz: Herr Cohn-Bendit, haben Sie das Spiel gegen Tschechien angeschaut?

Daniel Cohn-Bendit: Ja, klar.

Und, wer hat das Tor geschossen?

Ballack.

Wegen Ihrer These, dem deutschen Fußball fehlten 20 Jahre Einwanderung, und die Union sei schuld an der Misere der Nationalmannschaft …

… ja, tut mir leid, dass ich Recht habe.

Sagen wir so: Es gibt fünf deutsche Stürmer, die nicht getroffen haben. Vier wurden nicht in Deutschland geboren, einer hat kroatische Vorfahren.

Meine These ist ja keine mathematische Formel. Es geht darum, dass Deutschland sich von der Möglichkeit abschneidet, das Reservoir an Spielern und vor allem an Spielkultur zu erweitern. Wenn man in die Jugendmannschaften überall in Deutschland schaut: Da spielen doch unglaublich viele Einwandererkinder, wenn ich nur an die vielen Türken denke oder an die Spieler aus dem ehemaligen Jugoslawien.

Die Türkei qualifizierte sich gar nicht für die EM, Kroatien ist schon ausgeschieden.

Ich sage ja nicht, dass alle deutschen Spieler nicht gut wären und alle Einwandererkinder schon. Aber Kultur in Deutschland besteht aus dem und aus dem. Nehmen wir Fatih Akin. Ist doch gut, dass wir Filme von ihm haben und nicht nur „Good bye, Lenin“. Und was den Fußball angeht, ist das Reservoir der Spieler auch geringer, wenn die Energie der Einwanderung fehlt.

Und jetzt sind wir raus aus der EM. Herzlichen Dank auch, Herr Kohl. Was machen wir nun den ganzen Tag?

EM schauen. Dass die Deutschen ausscheiden, ist doch egal. Ich bin ja sowieso für die Franzosen.

Die werden Europameister?

Die haben halt den Zidane, obwohl man zweifeln kann, dass das reicht.

Die Dynamik der Einwanderung.

Ganz genau. Das fehlt Deutschland einfach. Fußball ist ja ein Spiegelbild der gesellschaftlichen Entwicklung: Wir sind nicht risikobereit genug. Das zeigt sich auch in der verheerenden Vereinspolitik. Podolski mag kein Rooney sein, aber warum nicht? Weil er nächstes Jahr in der zweiten Liga spielt. Das sagt doch alles. Warum kauft Bremen nicht den statt den Klose?

Daran ist die Union aber nicht schuld, oder?

Ich bin nicht so eindimensional, der Union die Schuld an allem in die Schuhe zu schieben. Aber ich sage: Jugendarbeit und die fehlende Dynamik der Einwanderung, das sind die Probleme des deutschen Fußballs. Ein gelungenes Beispiel, was Integration bewirken kann, ist doch Ballack. Den haben wir aus der DDR.

INTERVIEW: KLAUS RAAB