Wie aufgewärmte Pasta

Neues aus dem Genre der warmherzigen Stereotypekomödie: In „Mambo Italiano“ von Emile Gaudreault ist der Protagonist ein schwuler Italokanadier, den seine Familie verheiraten möchte

VON PHILIPP BÜHLER

Das Rezept für „My Big Fat Greek Wedding“ hat vielleicht nicht mehr jeder im Kopf. Dabei schmeckt das Gericht jedem und verkauft sich bestens. Man nehme ein paar gut abgehangene Stereotype, Nationalität fast egal, ziehe sie mit viel Liebe durch den Kakao und brate sie danach intellektuell auf kleiner Flamme. Die kulturellen Zutaten gibt es überall, und überhaupt ist es nicht schwerer zuzubereiten als eine Pasta. Man kann es sogar wieder aufwärmen.

Dies geschieht mit „Mambo Italiano“. Dem Titel gemäß ist diesmal keine heiratswütige Griechin am Start, sondern der Sohn einer italienischstämmigen Familie, der mit seinen traditionsbewussten Eltern am Rande von Montreal lebt. Außerdem hat Angelo Barbarini (Luke Kirby) soeben entdeckt, dass er schwul ist. Und schon sitzt er im kulturellen Schlamassel. Wenn er es seinen Eltern sagt, sterben sie zuerst vor Scham und bringen ihn danach um – er ist geneigt, das als einen Gefallen zu betrachten. Sein Papa Gino (Paul Sorvino) sagt dann aber nur, dass es keine schwulen Italiener gebe. Damit wäre der erste Akt überstanden, wenn auch mit mäßigem Erfolg.

Schnell hat man begriffen, dass Angelo in einer Horde liebenswerter Verrückter die Flagge der Normalität hochhält. Hysterie und Identitätszweifel finden sich ausschließlich auf der heterosexuellen Gegenseite. Mama Maria (Ginette Reno) quält sich mit schwulen Horrorfantasien und fährt umgehend dickbusige Heiratskandidatinnen für den missratenen Sohn auf – natürlich Italienerinnen. Wenn hier im Übrigen irgendetwas camp ist, dann ist es die Wohnungseinrichtung der Barbarinis. Religiöser Nippes und schrille Farben bis unter die Decke. Dass Angelo die Flucht ergreift und auszieht, leuchtet ein. Er will Drehbücher fürs Fernsehen schreiben. Wie langweilig.

Selbstverständlich werden sich die Eltern an den schwulen Sohn gewöhnen, so wie es die meisten Eltern in aller Welt tun. Ja, Vater Gino wird sogar voller Stolz verkünden: „Niemand ist schwuler als mein Sohn!“ Womit das klassische Migrantendilemma – Druck zur ethnischen Konformität bei gleichzeitigem Druck zur Assimilierung – aus der Welt wäre und sich nur noch eine Frage stellt. Warum eigentlich Italiener? Warum überhaupt Einwanderer? Weil es lustiger ist?

Es ist eine offene Frage, ob der offensive Umgang mit Stereotypen tatsächlich auf ein Nullsummenspiel hinausläuft. Ob sich von einer Gruppe abgelöste Klischees, diese freien Radikalen, quasi naturgesetzmäßig an anderen Gruppen festmachen müssen. Oder ob sich am Ende nicht doch wieder nur die Mehrheitsgesellschaft ins Fäustchen lacht. Der Drehbuchautor Steve Galluccio, der hier sein sehr erfolgreiches Theaterstück adaptiert, ließ sich, wie man so schön sagt, vom eigenen Leben inspirieren. Genau wie Nia Vardalos, die in „My Big Fat Greek Wedding“ mit ihrer Elterngeneration ähnlich umgesprungen ist. Damit soll es gut sein.

Dass dem Genre der warmherzigen Stereotypekomödie die Zukunft gehört, ist ohnehin zweifelhaft. Das Baukastenprinzip, karikierte Figuren plus haarsträubende Situationen und ein bisschen Metadiskurs, hat man in jeder Sitcom. Neu ist es auch nicht, nur in seiner Schematik eine Spur radikaler als die Produkte von Hanif Kureishi oder Pedro Almodóvar.

„Mambo Italiano“ bietet darüber hinaus, nun ja, Mambo und ein paar hübsche Lacher, die nicht vom Band kommen. „Gib mir eine Stunde im Gay Village, und es ist kein Gay Village mehr!“, brüllt da eine Hetera und verängstigt damit ausgerechnet einen schwulen Polizisten, der es ja auch nicht leicht hat. Doch, es gibt durchaus schlimmere Dinge, als Italiener und schwul zu sein.

„Mambo Italiano“. Regie: Emile Gaudreault. Mit Luke Kirby, Peter Miller, Ginette Reno, Paul Sorvino u. a. Kanada 2003, 89 Min.