„Hochwasserschutz nicht gegen die Bauern“

Landwirte sollen auch in hochwassergefährdeten Gebieten anbauen dürfen, sagt Steffen Flath (CDU), Sachsens Landwirtschaftsminister. Er fordert eine Abschwächung des Gesetzes von Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne)

taz: Umweltminister Trittin hat ein Hochwasserschutzgesetz vorgelegt, das vom Bundeskabinett gebilligt wurde. Was halten Sie davon?

Steffen Flath: Aus Sachsen kam die sparsamste Kritik. Das liegt daran, dass wir bei der Flutaufarbeitung sehr gut mit Trittin zusammengearbeitet haben.

Trotzdem soll das Gesetz jetzt weiter abgeschwächt werden. Es geht um ein Ackerbauverbot, das Trittin in den so genannten HQ-100-Gebieten festschreibt – also dort, wo es statistisch alle 100 Jahre einmal Hochwasser gibt. Finden Sie das korrekt?

Wir müssen den Flüssen mehr Raum geben – diesen von allen Experten akzeptierten Grundsatz kann man nur mit den Landwirten umsetzen. In den Flussauen befinden sich die hochproduktiven Ackerflächen. Wer den Bauern verbieten will, dort Geld zu verdienen, der verprellt sie. Ein Ackerbauverbot bringt den Staat in eine Falle: Bauern hätten Anrecht auf Entschädigung. Und es geht ja um mehr: Wir wollen etwa Polder anlegen, um sie im Falle eines Hochwassers gezielt überschwemmen zu können. Das geht nur mit Einverständnis des Bauern.

SPD-Bundestagsabgeordnete wollen erzwingen, das Ackerbau unter Auflagen gestattet wird. Wie müssten die aussehen?

Ein ganzjähriger Bewuchs muss gewährleistet sein. Das geht zum Beispiel mit Zwischenfruchtanbau. Und ein pflugloser Anbau muss hier betrieben werden, damit im Hochwasserfall nur wenig Boden erodiert. Das lässt sich aber leicht regeln.

Wenn das so einfach ist, warum hat Trittin das Verbot dann in sein Gesetz aufgenommen?

Aus Sicht einer grünen Partei, die nicht gerade die Interessen der Landwirtschaft vertritt, ist das Ackerbauverbot ein Symbol.

Sachsen hat am Freitag ein eigenes Gesetz zum Hochwasserschutz verabschiedet. Was kann Trittin von Ihnen lernen?

Wir haben Hochwasserentstehungsgebiete ausgewiesen. Das ist einmalig in Deutschland: Gegenden, die häufig von Starkniederschlägen betroffen sind, erhalten einen Sonderstatus mit Auflagen. Dort darf nur wenig gebaut werden, und wenn, müssen geeignete Ausgleichsmaßnahmen getroffen werden – Entsiegelung etwa oder Aufforstung. Perspektivisch wird angestrebt, dass es in diesen Gebieten deutlich mehr Wald geben wird.

Sie fordern vom Bund, sich an den Kosten zu beteiligen. Mit welcher Begründung?

Erstens: Hochwasserschutz funktioniert nur länderübergreifend. Alles, was Sachsen in den nächsten 10 Jahren investiert, kommt Sachsen-Anhalt, Hamburg und Niedersachsen zugute. Um einen Anreiz zu geben, sollte der Bund Mittel einsetzen – etwa über eine Gemeinschaftsaufgabe, wo die Länder zu 40 Prozent kofinanzieren. Zweitens: Der Bund ist Eigentümer der Wasserstraßen. Damit ist er zuständig für Ausbau und Unterhaltung. Für den Schutz vor Hochwasser will er das aber nicht sein.

Sie kennen die Finanzen des Bundes?

Natürlich! Ich kenne aber auch die Finanzsituation von Sachsen. Und ich kenne die Schadensbilanz der letzten Flut.

INTERVIEW: NICK REIMER