JENNI ZYLKA über PEST UND CHOLERA
: Eine SMS von Led Zeppelin

Zwar macht die Wissenschaft ständig Fortschritte, aber alle münden sie in den „Communication Breakdown“

Den Namen Sparkie Williams sollte man sich merken. So heißt der bislang einzige Wellensittich der Welt, der 531 Wörter, 383 Sätze und zehn Reime sprechen konnte. Darunter so süße Sätze wie „I’m a cute little budgie“ und „Mummy’s such a sweetheart“, was die Auswahl an ernsten Gesprächsthemen vermutlich ein wenig einschränkt. Der Vogel lebte von 1954 bis 1962, ein ganz durchschnittliches Alter, die meisten Sittiche werden nicht mal zehn, nur wenige quatschen, bis ihnen mit 15 Jahren endlich der Schnabel zufällt. Sparkie, der in seinen acht redeseligen Jahren sogar eine Schallplatte besprach, klang mit seinem britischen Upper-Class-Akzent wie eine dicke englische Lady, die Kinderbücher vorliest und dabei kräftig einen im Tee hat.

Im Kommunikationsmuseum, in dem ich gestern ein paar dieser Aufsehen erregenden Informationen zum Thema „Mensch und Tier im Dialog“ aufgeschnappt hatte, war außerdem die Genese des Telefons von den leeren Dosenmilchdosen mit Band dazwischen bis hin zum Superhandy, das auch faxen und laminieren kann, dargestellt. Eine Entwicklung, über die ich immer dann ins Grübeln gerate, wenn ich Geschichten wie die folgende höre: Mein bester Freund bekam vor drei Tagen einen Anruf auf seinem Handy. Eine junge, weibliche Stimme mit süddeutschem Akzent verlangte, mit Melanie sprechen zu dürfen. Hier gibt es keine Melanie, du hast eine Mobilfunknummer gewählt, sagte mein Freund höflich. Wuist du mich jetzt veroarsche?, bayerte die Stimme. Nein, sagte mein Freund geduldig, du hast dich ganz sicher verwählt.

Ein paar Minuten später bekam mein Freund eine SMS: ENTSCHULDIGUNG HATTE FALSCHE VORWAHL. WIE ALT BIST DU? Er schrieb zurück: definitiv zu alt für dich. Das schreckte die süddeutsche Maus aber überhaupt nicht. SAG DOCH MAL, WIE ALT BIST DU? 41 und schwul, antwortete mein Freund. Das Biergartenmaderl fühlte sich dadurch jedoch erst richtig angestachelt und tippte gut gelaunt in ihr Handy: KLAR UND ICH BIN FETT UND HÄSSLICH UND WARTE VERZWEIFELT AUF EINEN MANN DER MICH LIEBT. JETZT SAG DOCH MAL!

Lernen die so etwas in der Bravo, fragte mich der beste Freund verzweifelt später, als er mir von seiner neuen Verehrerin erzählte. Früher waren die Gören doch auch nicht so nassforsch. Das liegt alles am Kommunikationsmittel Handy, erklärte ich ihm. Die SMS hat das CB-Funken, den Ballon mit Postkarte dran und den anonymen, parfümierten Brieffreundschaftsbrief komplett abgelöst! Die lassen ihre SMS-Botschaften ja sogar schamlos über einen Crawl durch das öffentliche Musikfernsehen laufen. Du kennst doch die alte Led Zeppelin-Wahrheit: Communication Breakdown, it’s always the same, I’m having a nervous breakdown, drive me insane! Ich summte kurz das Gitarrensolo an und der beste Freund nickte. Allerdings, bestätigte er, sind das schon echte Kommunikationsstörungen.

Das passte wiederum dazu, was ich gestern im Museum gelernt habe: Wegen der Kommunikationsüberdosis gibt es in letzter Zeit nämlich wirklich einen rapiden Anstieg an Kommunikationsstörungen. Aber Hilfe ist in Sicht. Die Menschen, die sich gar nicht oder nur sehr schwer oder undeutlich oder in rudimentärster (SMS-)Form ausdrücken können, werden unter anderem mit Delphintherapien behandelt, bei denen sie mit netten, nassen, klickenden Wassersäugern durch die Meere schwimmen dürfen, und hin und wieder schafft es so ein Flipper, dass ein ganz stiller, trauriger, autistischer Junge wieder lacht oder so.

Das Allerneueste sind aber Lamatherapien. Dabei werden die Kranken jedoch nicht in regelmäßigen Abständen angespuckt, was ich vermutet hatte, sondern sie sollen sich an die wolligen Rücken der zurückhaltenden Tiere kuscheln und sich von ihnen mit der Schnauze anstupsen lassen. Besonders effektiv ist diese Therapie anscheinend bei Suchtkranken. Den Grund dafür habe ich noch nicht ganz eruieren können. Aber es ist doch gut zu wissen, dass die Wissenschaft ständig Fortschritte macht.

Fragen zum Fortschritt? kolumne@taz.de Donnerstag: Robin Alexander über SCHICKSAL