Hang the VJ

Das Café Moskau bietet jetzt eine gute Gelegenheit, von der Videokunst in Clubs Abschied zu nehmen: Denn im Licht der Projektionen verlor das Wichtigtuen an Sinn

Das Schlimmste, so kann man beruhigt feststellen, das Schlimmste ist vorüber. Es gab Zeiten, lange sind sie noch nicht her, als kaum ein Berliner Club glaubte auf einen VJ verzichten zu können. Neben dem DJ-Pult stand er, hatte meist zwei Monitore vor sich stehen und mischte Bildmaterial zusammen. Überall waren Leinwände aufgehängt und Fernseher aufgestellt, auf denen dann all die Dinge flimmerten, die Visuals zu nennen man sich verständigt hatte. Buchstaben, Grafiken, Symbole.

Das sah hübsch aus und war doch eine Katastrophe. Nicht weil es gegen die Tätigkeit des VJ etwas einzuwenden gäbe, genauso wenig wie gegen die des Tapetendesigners. Das Problem war, dass das übergreifende VJ-tum in Berlin zusammenfiel mit einer generellen Tendenz zum Wichtigtuertum, das einem in den späten Neunzigern das ganze Ausgehen verleiden konnte. Nun ist gegen Wichtigtuer ja auch nichts einzuwenden, ohne Wichtigtuerei wäre das Ausgehen ja nur der halbe Spaß. Doch diese spezielle Form des Wichtigtuerwesens stand jenem im Weg.

Ein großes Versprechen geisterte in jenen Tagen durch die Berliner Mitte und rief allen, die sich täuschen lassen wollten, zu, dass, wenn man nur genügend Technik aufbieten und alles in eine futuristisch blinkende Schönheit tauchen würde, alles irgendwie glamourös und ein Optionsschein auf die Zukunft sei. Die Visuals waren die optische Begleitung für ein Projektemachergehabe, das jedes Ausgehen zu einem Arbeitstreffen mutieren ließ. Ihre akustische Entsprechung waren die unsäglichen Laptop-Live-Acts.

Doch irgendwann standen alle in ihren wunderbar futuristisch blinkenden Clubs herum und stellten fest, dass niemand feiern mochte in Räumen, die eher einem Ausstellungsraum glichen, wie man ihn in der eigenen Hybris dem Museum Of Modern Art des Jahres 2050 anzudichten geneigt war – und keiner Höhle des Lasters. Denn das Visuals-Unwesen hatte den unangenehmen Nebeneffekt, dass die Clubs viel zu hell wurden. Für die zahllosen Arten, sich danebenzubenehmen, auf denen ein Großteil des Spaßes basiert, dessen Ruf einen zu später Stunde überhaupt noch auf die Piste treibt, fand man kein Dunkel mehr.

Also verzichteten die Clubs wieder auf ihre VJs, und weil jene sich meistens ohnehin zu Höherem (Kunst) oder Niedererem (Kommerz) berufen fühlten, gab es auch nicht allzu viele Tränen. Mit dem in langen Nächten des Knöpfchendrehens in den angesagtesten Clubs Berlins (und damit Europas) angehäuften kulturellen Kapital ließ sich sowohl bei Kunst als auch Kommerz prima im Vorzimmer sitzen und auf Folgeaufträge warten.

Das Schlimmste ist also vorüber, weshalb man auch mit Gelassenheit zur Kenntnis nehmen kann, dass sich dieses Wochenende in Berlin dutzende von VJs zum Contact Europe Festival einfinden werden, um es noch einmal so richtig blitzen zu lassen. Danach ist es dann wieder vorbei. TOBIAS RAPP

Contact Europe Festival. Café Moskau von heute bis Samstag. Tagsüber Vorträge, Abends VJ-Auftritte