Bagdader Frühling für den Söldnerveteran

Tim Spicer, britischer Exsöldnerführer und Chef einer Sicherheitsfirma, wird heimlicher Verteidigungsminister des Irak

Es ist eine der kurioseren Geschichten aus dem an Merkwürdigkeiten reichen Feld des privaten Militärunwesens im Irak. Tim Spicer, ehemaliger Leiter der wichtigsten britischen Söldnerfirma, ist neuerdings zuständig für den militärischen Schutz sämtlicher Wiederaufbauarbeiten im Irak. Als Chef der privaten Militärfirma „Aegis Defence Services“ soll er nach eigenen Angaben „die sicherheitstechnische Unterstützung für Vertragspartner im Wiederaufbau“ koordinieren. Der 293 Millionen Dollar schwere Vertrag, den das US-Verteidigungsministerium bereits am 25. Mai mit Spicer abschloss, wurde nun von Iraks neuer Regierung übernommen.

Nach Berichten aus Bagdad erstreckt sich Spicers Zuständigkeit auch auf die Koordinierung der Arbeit privater Sicherheitsfirmen, die Aufstellung 75 eigener Elitekommandos sowie den Informationsaustausch zwischen den alliierten Truppen und den privaten Militärfirmen. Der US-Söldnerexperte Pratap Chaterjee nennt den Vertrag „effektiv die Schaffung der größten Privatarmee der Welt“.

Spicer ist bekannt, aber nicht im Irak. Er kämpfte als Soldat einer Eliteeinheit der britischen Armee in Nordirland, den Falklandinseln und Bosnien, bevor er 1995 den Dienst quittierte und eine eigene Militärfirma gründete. Seine „Sandline International“ kam 1998 in die Schlagzeilen, als sie dem von Rebellen gestürzten Präsidenten von Sierra Leone, Ahmed Tejan Kabbah, mit Waffenlieferungen und Soldatenausbildung zurück an die Macht verhalf – entgegen einem UN-Embargo. Das zog einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss in London nach sich, der Spicer aber entlastete. Die „Arms To Africa“-Affäre brachte die damals noch junge Regierung von Tony Blair dazu, den Einsatz privater Sicherheitsfirmen als effektivere Alternative zu staatlichen Militärinterventionen in das Register außenpolitischer Handlungsoption aufzunehmen. Im Irak hat diese unkonventionelle Militärdoktrin ihre Vollendung gefunden.

Dass Spicer selbst jetzt der größte Profiteur davon wird, dürfte ihn selbst überraschen. Im Zuge der für alle Seiten peinlichen Sierra-Leone-Affäre, die auf eine fehlgeschlagene Intervention seiner Firma in Papua-Neuguinea folgte, hatte er „Sandline“ verlassen, seine Memoiren geschrieben („An Unorthodox Soldier“) und sich auf Risikoanalyse für die Londoner City spezialisiert.

2002, kurz nach den Anschlägen des 11. September 2001, gründete Spicer dann „Aegis Defence Services“, eine Mischung aus Sicherheits- und Beraterfirma in Sachen Terrorbekämpfung (www.aegisdef-webservices.com). Als Geschäftsführer von Aegis tritt er auf Fachtagungen auf und argumentiert, der Krieg gegen unkonventionelle Gegner wie al-Qaida erfordere unkonventionelle Maßnahmen.

Spicers neue prominente Rolle gilt als Belohnung der USA an Großbritannien. Seine Firma sucht seit März Mitarbeiter für Irak und bietet Spitzengehälter.

DOMINIC JOHNSON