Asiatische Menage à trois

Weder Streichereinsatz noch der Überschwang der Farben, dafür wortkarges Personal: William Kwok Wai Luns Spielfilm „Darkness Bride“ entzieht sich den Genres, die er nutzt

Eine Frau zwischen zwei Männern; eine böse, Gift spritzende Schwiegermutter; eine panische Flucht vom Land in die Stadt; ein Eifersuchtsdrama; eine alte Legende über Jungfräulichkeit und Tod – „Darkness Bride“ hat sämtliche Zutaten für ein großes Melodram beisammen. Aber es gibt weder Streichereinsatz noch tränenreiche Gefühlsausbrüche, weder den Überschwang der Farben noch affektgeladene Großaufnahmen. Stattdessen wortkarges Personal vor desolater Kulisse, befremdliche chinesische Traditionen und Weitwinkelaufnahmen aus einer gottverlassenen Einöde irgendwo jenseits der Chinesischen Mauer, wo Bauern in Lehmhöhlen wohnen, ihre Schafherden über graslose Steppen treiben und sich gerne und gründlich besaufen. Keine Gegend, in der junge Liebende ihr Glück finden würden, erst recht nicht, wenn es sich um eine Dreiecksbeziehung in gegenseitigem Einverständnis handelt.

Qing Hua (Fang Jing) wurde als Kind von einem Bauernpaar gekauft, um eines Tages die Frau ihres Sohn Sissy (Gao Fei) abzugeben. Sissy hat eine modische Pilzkopffrisur, redet nicht viel, außer mit seinen Schafen, hängt Tagträumen nach und ist völlig einverstanden damit, dass sein bester Freund, der elternlose Chun Sheng (Wu Jian), auch mit Qing Hua zusammen ist. Zu dritt stoßen sie in der Hochzeitsnacht heimlich auf die Vermählung an und schwören, sich niemals trennen zu wollen.

Eltern und Dorfgemeinschaft freilich haben andere Vorstellungen von gelungener Partnerschaft. Eine lautet, dass Männer sich nach ihrem Tod einsam fühlen, wenn sie unverheiratet sterben. Sie müssen dringend vermählt werden, und deshalb gibt es einen regen Handel mit Frauenleichen sowie skurrile Hochzeitsrituale auf Beerdigungen. Ein anderer Glaubenssatz besagt, dass Jungfräulichkeit um jeden Preis zu schützen sei. Darüber wacht eifersüchtig der Geist der Jungfrau, deren Grabmal vor den Grenzen des Dorfes liegt und die zurückkehrt, um die verbotene Freundschaft der drei zu beenden.

Nicht leicht zu sagen, welchem Genre „Darkness Bride“ zuzurechnen ist. Zwischen moralischer Parabel, Geisterfilm und Sozialrealismus entwirft der Regisseur William Kwok Wai Lun eine Studie über die Frage: „Was ist heutzutage wertvoll genug, um sein Leben dafür zu opfern?“ Eine Zeitungsmeldung über Grabräuber sowie der Besuch beim „Tempel der Jungfrau“ habe ihn auf die Idee zu seinem dritten Spielfilm gebracht, sagt der in Hongkong geborene Filmemacher. William Kwok ist Jahrgang 1969, mithin ein junger Filmemacher, aber „Darkness Bride“ ist kaum eine Verteidigung des Neuen gegen das Alte, des jugendlichen Freiheitsdranges gegen die Fesseln einer rigiden und überholten feudalen Tradition. Eher die Feststellung, dass sich ohnehin kaum etwas geändert hat. In der Stadt gibt es Softdrinks, Fast Food und Fernsehen, aber ansonsten geht es nicht viel anders zu als auf dem Land. Frauen werden weiterhin wie Waren gehandelt, verfallene Fabrikruinen wirken genauso wenig fortschrittlich wie die Lehmhütten der Dörfler, städtische Behörden handeln ebenso willkürlich und selbstherrlich wie der Provinzpatriarch.

Der Kameramann Wong Ping Hung setzt auf ungewöhnliche Kadrierungen, den erzählerischen Einsatz von Tiefenschärfe und ausgewaschene Farben und erreicht dadurch selbst in weiten Landschaftseinstellungen ein Gefühl der Auswegslosigkeit. Der Originaltitel des Films lautet übersetzt „dunkler Graben“. Immer wieder ziehen sich Qing Hua, Sissy und Chun Sheng in geschlossene Räume zurück, doch deren Enge bietet weniger Schutz als die Einsicht, längst in der Falle zu sitzen.

DIETMAR KAMMERER

„Darkness Bride“. Regie: William Kwok Wai Lun. Mit Fang Jing, Tang Lu u. a. Hongkong/Taiwan 2003, 104 Min.