Der Günter Netzer der Topspin-Branche

Die Tischtennisspieler von Tennis Borussia Berlin wollen in die 2. Liga aufsteigen. Dafür wurde Steffen Fetzner vom Meister Grenzau verpflichtet. Sportlich scheint damit alles klar – allein die Finanzierung steht auf wackligen Beinen

Tischtennisspieler gelten als hypersensible Naturen. Jedes Flüstern oder Niesen im Publikum schürt bei diesen flatterhaften Schmetterlingen die Angst vor Konzentrationspannen. Liegt es an diesem immanenten Zwang zu leisen Tönen, dass Tennis Borussia Berlin (TeBe) seinen spektakulären Fischzug auf dem Transfermarkt nicht an die große Glocke hängen mag?

„Ja, es stimmt: Steffen Fetzner ist unsere neue Nummer eins in der Regionalliga-Mannschaft, zunächst einmal für eine Saison“, sagt TeBe-Vorsitzender Dieter Krüger. Wie oft der neue Star vom TTC Zugbrücke Grenzau für das Berliner Zelluloid-Sextett an die Platte gehen wird, steht aber noch nicht fest. Der Offensivspieler fungiert nämlich in Personalunion als Vizepräsident seines bisherigen Vereins aus dem Westerwald.

Steffen Fetzner ist so etwas wie der Günter Netzer der Topspin-Branche: 1989 wurde der gebürtige Karlsruher Weltmeister im Doppel an der Seite von Jörg Rosskopf. Dennoch stand „Speedy“, wie die Fans den wuseligen badischen Ballkünstler nennen, im Einzel stets im Schatten seines kongenialen Partners „Rossi“. Ein ähnliches Schicksal musste Netzer in der Schaltzentrale der DFB-Auswahl erleiden, die jahrelang von dem übermächtigen Wolfgang Overath okkupiert wurde.

Aber für TeBe gilt Fetzner – trotz seiner 35 Jahre – als Nonplusultra, als Netzerath. Immerhin tourte Old Schmetterhand aus Karlsruhe vor wenigen Jahren als einziger Deutscher im japanischen Profizirkus und errang in der abgelaufenen Bundesligasaison mit Grenzau den Meistertitel.

Oberborusse Krüger jedenfalls frohlockt: „Bei dieser Besetzung ist natürlich der 1. Platz unser Ziel. Im Tischtennis lässt sich der Aufstieg planen, weil er viel mehr als etwa im Fußball von Einzelspielern abhängt.“ Da TeBe neben Fetzner auch Berlins Einzelmeister Sebastian Borchardt (Hertha BSC) sowie Brandenburgs Champion Nicolai Popal (Finow) verpflichtet hat, steht dem Aufstieg der „Veilchen“ in die Zweite Bundesliga sportlich nichts mehr im Wege. Wenn da nur nicht die ungewisse Kassenlage wäre.

Beim Portmonee hört für Krüger das Träumen auf. Ihn überkommen angesichts der pekuniären Hürde sogar Schauer der Solidarität mit dem großen Stadtrivalen: „Man sieht es an Hertha, unserem einzigen Konkurrenten.“

Die Herthaner mussten vor Jahresfrist als Zweitliga-Meister auf den Sprung in die Bundesliga verzichten, weil der Hauptverein seine Ressourcen lieber auf die Profifußballer konzentierte. „Man kann uns keine Vorwürfe machen, wenn wir gute sportliche Leistungen bringen“, grummelte Herthas Tischtennis-Chef Gerd Welker damals, als die notwendige Verdopplung seines Abteilungshaushalts auf 200.000 Euro verweigert worden war.

Der TeBe-Schlägergilde droht ein ähnliches Schicksal. Vom Hauptverein, in dem König Fußball den Takt angibt, ist kaum Unterstützung zu erwarten. Gerade haben die vereinseigenen Kicker ein Insolvenzverfahren mit Mühe und Not überstanden. Nun droht den TT-Aktivisten bei TeBe – wie schon in der Regionalliga 2002/2003, als Meister Borussia auf sein Startrecht in der Zweiten Liga verzichten musste – ein erneuter Rückzieher aus monetären Gründen. „Letztes Jahr hätten uns rund 70.000 Euro gefehlt“, erklärt Krüger, der 120.000 Euro als Minimum für ein Jahr in der Zweiten Liga veranschlagt. Nach der Fetzner-Verpflichtung wäre ein weiterer Rückzieher den Fans allerdings schwerer zu vermitteln. JÜRGEN SCHULZ