Was noch fehlt, ist Charakter

Der Sieger im Ideenwettbewerb für die Umwandlung der Nippeser Gummifabrik Clouth in eine Wohnsiedlung steht fest. Der prämierte Entwurf aus Frankfurt ist beliebig und bestenfalls anständig

Von Cord Machens

Der Ideenwettbewerb für das Clouth-Gelände in Nippes ist entschieden, und das Ergebnis wird der städtebaulichen Bedeutung des Filetstücks nicht gerecht. Schon die Ausschreibung des Wettbewerbs war hektisch. Über Ostern sollten sich die Teilnehmer bewerben, doch die rigiden Anforderungen galten für einige Kölner Architekten wohl nicht. Von 120 Bewerbern wurden 40 Teilnehmer nach undurchschaubaren Kriterien ausgeguckt und zehn Büros dazugeladen. Dann tagte die Jury, und Stadtentwicklungsdezernent Bernd Streitberger ließ sich von seiner Amtsleiterin Anne-Luise Müller vertreten. Die Clouth-Werke sind keine Chefsache.

Die Clouth-Gummiwerke waren die erste große Industrieansiedlung im Kölner Norden. Die Gebäude sind ein bemerkenswerter Stilmix aus Nachklängen des Kölner Backsteinexpressionismus, eleganten Pavillons und Treppenhäusern der Moderne und Wersteinfensterrahmungen, die ins Dritte Reich verweisen. Denkmalgeschützt ist nur die Reihe an der Niehler Straße, dabei hat das ganze Ensemble den malerischen Charme einer kleinen Stadt in der Stadt, die nach Büros, Werkstätten, Studios und Ateliers geradezu ruft und so zum Teil von rund 100 Künstlern längst genutzt wird.

Der 3. Preis (Kränzle+Fischer, Karlsruhe) häkelt sich mit kleinen vorstädtischen Wohnparzellen über das Gelände. Der 2. Preis (Scheuvens+Wachten, Dortmund) entwickelt mäanderhafte Blockstrukturen, während der 1. Preis (Meurer, Frankfurt/Main) seine Blöcke aus je zwei Winkeln formt und damit nicht gut nutzbare Ecken vermeidet. Das alles ist anständig, ermöglicht diverse Wohnformen und kann sukzessive entwickelt werden, aber es ist auch einigermaßen beliebig und ohne Prägnanz. Wie soll da aus dem Typischen der Clouth-Werke etwas Nippes-Charaktervolles entstehen, eben ein Veedel?

Das verspricht nur einer der vier gleichrangig mit „Ankäufen“ versehenen Entwürfe: Trint+Kreuder, Köln. Sie wollen das gesamte Werksareal erhalten und als „Arbeiten im Quartier“ vielfältig beleben und umschließen es mit Winkeln aus Blöcken und Zeilen, einem verdichteten „Wohnen im Park.“ Das ist wahrhaft städtisch und bringt Identität. Zumal das „Werk“ und das „Wohnen“ durch zwei prägnante Straßen getrennt und verbunden werden. In Verlängerung der Kretzerstraße eine Allee, die im rechten Winkel eine Wohnstraße mit Kanälen kreuzt. Sie zielt als Blickachse vom östlich anliegenden Johannes-Giesberts-Park auf die Bonifatius-Kirche im Westen. Das ist eine städtebaulich wirksame, erlebbare Verknüpfung, während der 1. Preis die Blücherstraße mitten durch die denkmalgeschütze Halle verlängert. Das ist formalistischer Städtebau, und das wird zur Weiterbearbeitung empfohlen.

Auf den ersten Blick ist wieder einmal an einem historisch bedeutsamen und stimmungsvollen Ort eine städtebauliche Chance vertan worden. Zweitens aber kommen in Köln – ein Glück – erste Preisträger selten zum Zuge. Drittens mag die Ausstellung aller Wettbewerbsergebnisse zum Architekturfestival „plan 04“ im September noch einige unterschätzte Entwürfe zum Clouth-Gelände ans Tageslicht fördern. Dann kann es den prämierten Belanglosigkeiten so gehen wie gerade Herrn Nix.