Aidsmedikamente – ein Luxusgut

Es fehlen in den Ländern oft nicht nur Gelder, sondern auch Strukturen und Personal

Südafrika: Südafrika hat die meisten HIV-Infizierten auf der Welt – etwa 5,3 Millionen Menschen, davon braucht rund eine halbe Million eine Behandlung. Erst vor sechs Monaten beschloss die Regierung nach jahrelangen Protesten, Aidskranken Medikamente zu verabreichen. „Noch vor zwei Jahren waren Anti-Aids-Medikamente wegen überhöhter Preise unerschwinglich“, lobt UN-Aids-Mitarbeiter Richard Delate das neue Programm. „Jetzt sind Verhandlungen im Gange, Preise werden gesenkt.“ Doch die Umsetzung ist in Verzug: Bis 2004 sollen 53.000 Menschen mit Medikamenten behandelt werden – erst 10.000 sind es derzeit. In allen 53 Gesundheitsdistrikten sollte je eine Versorgungsstelle eingerichtet werden – zurzeit sind es 27. Ob dort kostenfreie Medikamente ausgegeben werden, bleibt unklar.

Präsident Thabo Mbeki schweigt zu Aids, obwohl daran täglich 600 Menschen im Lande sterben. Mehr Verantwortung zeigt Südafrikas Privatwirtschaft. Nach einer Untersuchung haben 92 Prozent der Großunternehmen Anti-Aids-Programme umgesetzt. Aber nur 13 Prozent haben darin Unterstützung für Pflege und Behandlung von Mitarbeitern vorgesehen, und ganze 6 Prozent verteilen Medikamente an kranke Arbeitnehmer.

Botswana: Jahrelang war Botswana an der Weltspitze, was den Anteil der mit HIV und Aids lebenden Bevölkerung angeht, Von den 1,6 Millionen Einwohnern sind derzeit 350.000 infiziert. Die Regierung hat Aids zur nationalen Krise erklärt. Botswana, dank seiner Diamantenförderung ein reiches Land, bietet heute allen Bürgern Gesundheitsversorgung gegen eine geringe Pauschale und stellt Finanzen sogar für Aidsmedikamente von Markenherstellern zur Verfügung. Die halbstaatliche Diamantenfirma Debswana versorgt ihre Angestellten ebenfalls mit Medikamenten. Dennoch sind von 110.000 Kranken, die in Botswana Medikamente brauchen, nur 16.000 in Behandlung, und das Ziel, bis 2005 etwa 55.000 Menschen mit Medikamenten zu behandeln, bleibt wohl unerreicht.

Namibia: 22 Prozent der 1,8 Millionen Namibier sind infiziert. Erst seit 2003 werden Medikamente kostenfrei in 7 der 35 Regierungskrankenhäuser ausgegeben. Rund 2.000 Menschen profitieren davon. „Namibia ist ein Land mit einem jährlichen Mittelklasse-Pro-Kopf-Einkommen von 1.830 US-Dollar, aber es gibt keine Umverteilung“, sagt Salvator Niyonzima, UN-Aids-Koordinator in der Hauptstadt Windhuk. „Krankenschwestern gehen lieber nach England.“ Die Medikamentenpreise gelten als zu hoch. 2003 begannen namibische Geschäftsleute, die Behandlung für ihre Mitarbeiter selbst zu finanzieren.

Simbabwe: 2,3 Millionen Simbabwer sind infiziert. Erst in diesem Juni hielt die Regierung Mugabe ihre erste Aids-Konferenz ab und versprach rund 280 Millionen US-Dollar zum Medikamentenkauf. Derzeit kosten solche aus Indien eingeführten Mittel 155 US-Dollar pro Patient und Monat. Die Firma Varichem hat nun begonnen, einheimische Aidsmedikamente herzustellen – sie sollen etwa 30 Dollar kosten. Aber auch dies bleibt für die meisten unerschwinglich, weswegen es einen regen Schmuggel aus Nachbarländern gibt. Ein Pilotprogramm mit Unterstützung des Internationalen Roten Kreuzes zur kostenlosen Medikamentenverteilung erreicht lediglich 180 Menschen. „Das ist ein Anfang“, sagt Nomtanda Jones vom Frauennetzwerk in der Hauptstadt Harare. „Doch viele Menschen fragen sich: Warum testen, wenn ich eh keine Hilfe erhalte?“

Swasiland: Mehr als 38 Prozent der Erwachsenen (220.000 Menschen) sind HIV-infiziert – das ist Weltrekord. Abgesehen von Nothilfeprogrammen hat die kleine Bergmonarchie keinerlei Aidspolitik. Alan Brody vom UN-Kinderhilfswerk Unicef erklärt: „Die Statistiken sind nur eine Vorausschau auf die Misere, die noch kommt.“

Angola: Nach 27 Jahren Krieg und Isolation ist die Infektionsrate gering. Laut UNO tragen 240.000 Menschen den HI-Virus, nur 5,5 Prozent der Bevölkerung. „Doch Angola besitzt alle Voraussetzungen, dass die Epidemie in drei bis vier Jahren explodiert“, sagt Dr. Alberto Stella, UN-Aids-Direktor in der angolanischen Hauptstadt Luanda. Trotz Angolas Ölreichtum liegt das Gesundheitswesen brach. Der Aidsbekämpfungshaushalt der Regierung beträgt 14 Millionen Dollar. Etwa 2.000 Menschen nehmen Aidsmedikamente in einem neu eröffneten Zentrum in der Hauptstadt Luanda.

Demokratische Republik Kongo: Nach Jahren des Krieges mit Millionen Toten gibt es über die Ausbreitung von Aids nur grobe Schätzungen. Vor dem Krieg wurde die HIV-Infektionsrate auf 4 Prozent der erwachsenen Bevölkerung geschätzt – rund eine Million Menschen. Heute ergeben Untersuchungen in den Kriegsgebieten des Ostens Raten von bis zu 25 Prozent. Ein funktionierendes Gesundheitswesen hat das Land nicht mehr. Vor kurzem wurde aus der Stadt Lubumbashi an der Grenze zu Sambia bekannt, dass Antidepressiva und Abführmittel als angebliche Aidsmedikamente in Umlauf gebracht wurden. Im ostkongolesischen Bukavu entwickelt die deutsche Chemiefabrik Pharmakina, die seit der Kolonialzeit Malariamedikamente herstellt, billige Aidsmedikamente – wenn es klappt, ein Vorzeigeprojekt für Afrika.

Sambia: Etwa 1,3 Millionen Menschen leben mit dem Virus, 200.000 brauchen Medikamente. Die sind seit zwei Jahren in allen neun Provinzen erhältlich, allerdings erreichten sie nur etwa 4.000 Menschen. Unterstützung von Weltbank und UNO gewährleistet, dass die Medizin für etwa 10 Dollar pro Monat je Patient ausgegeben werden kann. Kostenfreie Medikamente gibt es in vier Kliniken der Hauptstadt Lusaka.

Malawi: Aidsmedikamente gibt es nur in einem Hilfsprojekt von Ärzte ohne Grenzen und in zwei staatlichen Krankenhäusern. Etwa 3.000 Menschen erhalten Therapien – 780.000 sind infiziert.

Lesotho: In dem kleinen Königreich ist erst ein Gesundheitszentrum zur Verteilung von Medikamenten eröffnet worden. 100 Millionen US-Dollar des Pharmaherstellers Bristol-Myers Squibb machten es möglich. Schätzungsweise 60 Prozent der Arbeitnehmerschaft des Landes sind HIV-infiziert.

Mosambik: Etwa 1,5 Millionen der 18 Millionen Menschen sind infiziert, und davon brauchen rund 120.000 Menschen Medikamente. Doch auch hier gibt es noch keinen Plan zur Vergabe von Aidsmedikamenten. Die Einzigen, die solche Medikamente derzeit verabreichen, sind die Hilfsorganisationen Sant’Egidio und Ärzte ohne Grenzen.

MARTINA SCHWIKOWSKI