Etikettenschwindel mit dem Bätscheler

taz-Sommerschule (2): Den Bachelor sollten alle lieben. Nun lehnen ihn selbst Auserwählte ab, Ausland und Bosse

„Was haben Sie? Den Bätscheler? Na, Hauptsache, Sie stecken uns nicht an.“ Bachelor, nein, dahinter verbirgt sich nicht etwa eine neue Bakterienkultur. Die EU-Staaten haben sich in Bologna verpflichtet, die sehr unterschiedlichen Studiengänge Europas zu vereinheitlichen. Das wollen sie mit einem allgemein empfohlenen Zweistufenmodell erreichen: Zunächst erwerben Studierende dabei den Bachelor, anschließend (unter Umständen) auch den Master (MA).

Da die meisten deutschen Hochschulen den Bachelor bereits nach drei Jahren vergeben, entstehen nun ungeahnte Probleme. Amerikanische Studenten benötigen für den BA-Abschluss vier Jahre. Wie zu erwarten, erheben amerikanische Universitäten Zweifel an der deutschen Bachelor-Variante. Mit der Einführung der gestaffelten Abschlüsse droht also kein Aufschwung, sondern ein Rückgang der regen deutsch-amerikanischen Austauschprogramme. Dabei hatten die nationalen Befürworter doch stets mit einem Argument für die Stufung des Studiums in BA und MA geworben: der Internationalisierung.

Tatsächlich ist der Bachelor in verschiedenen Nationen ganz unterschiedlicher Natur: Es zeigt sich, dass es gar nicht so einfach ist, die Gleichartigkeit der Abschlüsse herzustellen. Allein durch ein plumpes Verkürzen der Programme bis zum ersten berufsqualifizierenden Abschluss geht es jedenfalls nicht. Dass es, immerhin fünf Jahre nach der Bologna-Erklärung, so weit kommen konnte, ist kein Wunder. Die einzelnen Fachbereiche reformieren ihre Studiengänge nicht durchgehend, weil sie Studierenden umfassende Reisemöglichkeiten durch moderne, einheitliche Programme ermöglichen wollen. Ihr Motiv ist oft genug die schiere Not, sich in Zeiten der Kürzungen weitere Mittelzuflüsse zu sichern.

Die neuen Bachelor-Studiengänge sind aber noch einer anderen Gefahr ausgesetzt. Sie können leicht zu Sammelsurien an Ausbildungsinhalten und Forderungen künftiger Arbeitgeber verkommen. Das betrifft besonders den Bachelor, der seine Absolventen eher für den Arbeitsmarkt als für die Wissenschaft als Beruf qualifizieren soll. Dieser Bakkalaureus soll allein auf berufliche Nutzen von Lehrinhalten und -zielen bauen. Das muss nicht nur negativ sein. Begrüßenswert etwa sind Kombinationen untypischer Fachbereiche, weil sie längst notwendige Spezialisierungen ermöglichen. Konkretes Anwendungswissen und praktische Fertigkeit sollen dabei im Vordergrund stehen.

Die Ironie dieser Berufsorientierung liegt nun darin, dass sich die Industrie bislang nicht für sie interessiert. Es besteht kein Bedarf am Bachelor, sagen die besonders Ehrlichen unter den Unternehmern. Praktisch ausgebildete und berufserfahrene technische AssistentInnen, begründen sie, seien oft fingerfertiger – und die kostengünstigeren Arbeitskräfte obendrein. Leider haben die Akademiker nicht aus den Fehlern gelernt, die die IT-Branche beging: Sie schuf neue Berufe, bildete aus – aber nur wenige der Gesellen fanden anschließend Jobs. Auf den Bachelor gewendet: Die Themen der neuen Studiengänge sind zwar zeitgerecht – aber ihr Nutzen gleicht noch lange nicht die Einbußen aus, die sich aus der zufälligen Reduzierung des Curriculums ergeben.

Hinzu kommt, dass die Qualität der Abschlüsse extrem stark schwankt. Denn an Fachhochschulen und Unis geht die Umstellung nur zögernd mit einer echten Novellierung der Curricula einher. Mit anderen Worten: Derzeit findet eine Studienstrukturreform ohne Studienreform statt – ein Unding. Da helfen auch komplizierte Akkreditierungsverfahren oft wenig, weil die Gutachter frühzeitig für schlecht befundene Studiengänge auflagenfrei anerkannten.

Dass die Studienordnungen überzeugend entschlackt und zugespitzt werden, verhindern die Fachbereiche selbst. Jedes Fach hat das Interesse, möglichst viele eigene Inhalte im neuen Studiengang unterzubringen.

Ganz unterschiedliche Fachgebiete sorgen also dafür, dass ihre Arbeitsbereiche im Lehrplan vertreten und abgesichert sind. Sie übersehen aber allzu gerne die Relevanz der Inhalte für den nicht forschungsorientierten Studierenden. Das bedeutet: Der Bachelor ist ein „Etikettenschwindel“, dem besonders Abiturienten oft mit Unkenntnis oder Studienanfänger mit Resignation begegnen.

Der Bachelor breitet sich wie ein Virus auf dem universitären Nährboden aus. Überall tauchen die neuen Abschlüsse auf. Leider ist der Bachelor, den man am allermeisten antrifft, international alles andere als unbestritten. Zwar schafft es Deutschland, Ansprüche und Auflagen an seine zweistufigen Studienprogramme zu stellen. Das Land scheitert aber daran, die Anforderungen bereits bestehender Bachelorstudiengänge im Ausland wahrzunehmen. Die Vereinheitlichung bleibt mangels einer EU-weiten Koordination auf der Strecke.

Das eigentliche Problem des Bachelors ist, dass er sein Ziel verfehlt: die Harmonisierung. Er ist keine Blaupause, an der sich die Länder orientieren, sondern entpuppt sich als ein Sammelbegriff für alles Mögliche.

VANESSA PLATE

Die Autorin (23) studiert Pharmazie an der rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität. In der taz-Sommerschule sollen AutorInnen der Frage nachgehen, „wohin die Bildungsreformen in Kitas, Schulen und Hochschulen führen“. Manuskripte bitte an cif@taz.de