Odyssee im Weltraumschrott

Michael „Bully“ Herbig hat mit „(T)Raumschiff Surprise – Periode 1“ seinen dritten Film in die Kinos gebracht – eine Startrek-Parodie nach bewährtem Bully-Muster: homosexuelle Helden, eine wirre Geschichte und pubertäre Gags. Aber was treibt die Millionen Bully-Begeisterten eigentlich ins Kino?

VON STEFAN KUZMANY

Es gibt Leute, die gehen in einen James-Bond-Film und beschweren sich hinterher, das sei ja alles total unrealistisch gewesen: wie der Agent ganz alleine 25 gegnerische Soldaten in kürzester Zeit abgeknallt hat. Wie er unverletzt diversen Kugelhageln entkommen ist. Und wie 007 auch noch einem von der Klippe stürzenden Flugzeug hinterhergesprungen ist, es einholte und schließlich sicher landete – das sei doch wohl gegen die Gesetze der Physik. Nun ja, da hilft keine Diskussion. Diese Leute waren eben im falschen Film. Millionen anderer Menschen hingegen fühlten sich bestens unterhalten. Ebenso müßig ist es wohl, den Humor von Michael „Bully“ Herbig, 36, zu kritisieren. Ist doch schon der Titel seines neuen Filmes eine Warnung für alle, die nicht kichern, sondern seufzen, wenn sie ein Wortspiel wie „(T)Raumschiff Surprise – Periode 1“ lesen. Was soll man sich also aufregen über platte, pubertäre Scherze? Man war dann eben im falschen Film. Millionen anderer Kinobesucher werden sich bestens unterhalten fühlen, so wie schon von der Westernparodie „Der Schuh des Manitu“, mit 11,7 Millionen Zuschauern der erfolgreichste deutsche Nachkriegsfilm, in Österreich sogar der erfolgreichste Film aller Zeiten.

Nein, da will man kein Spielverderber sein, zumal dieser Bully ja ein unverschämt sympathischer Mann sein muss, wie man zurzeit immer wieder sehen und hören und lesen darf. Sollen er und die seinen Erfolg haben und glücklich sein damit. Aber man darf sich schon fragen: Worüber lachen die Millionen Bully-Begeisterten eigentlich? Was treibt sie ins Kino?

Grundlage der Komik von „(T)Raumschiff Surprise“ ist – wie schon im Vorgängerfilm – die Brechung männlicher Heldenrollen durch die Homosexualität der Protagonisten. James T. Kirk und Spock aus „Raumschiff Enterprise“ waren ganze Kerle, Entdecker, die diplomatische Verhandlungen nicht selten durch den Gebrauch von Strahlenkanonen abkürzten. Zwischendurch verführte Kirk noch reihenweise außerirdische, knapp bekleidete Schönheiten. Käpt’n Kork vom „(T)Raumschiff Surprise“, gespielt von Christian Tramitz, hingegen fühlt sich allein zu seinem ersten Offizier Mr. Spuck (Herbig) hingezogen. Eroberungen interessieren hier niemanden, es gilt vielmehr, sich mit der Choreografie einer Tanznummer auf die „Miss-Waikiki-Wahl“ vorzubereiten.

Homosexualität, wie sie hier für Zuschauer ab sechs Jahren dargestellt wird, ist eine durchweg lächerliche Veranstaltung, die mit reichlich Grimassen und künstelnder Sprechweise aufgeführt wird. Ganz am Anfang soll auf der „Surprise“ ein Gesundheitscheck durchgeführt werden (Käpt’n Kork: „Aufs Fiebermessen freue ich mich besonders“). Mr. Spuck schnappt sich sogleich ein schwerelos treibendes Fieberthermometer und verleibt es sich ein, rückwärtig und unter wohligem Seufzen. Das Premierenpublikum rast. Das Thermometer spielt am Schluss des Filmes noch eine entscheidende Rolle.

Derlei Scherze sind die eigentliche Handlung von „(T)Raumschiff Surprise – Periode 1“, eine Aneinanderreihung von Sketchen, wie sie aus Herbigs Pro 7-Comedy-Serie „bullyparade“ bekannt sind. Von der Sorge, diese Zwei-Minuten-Gags könnten einen neunzig Minuten andauernden Film nicht tragen, scheinen die Drehbuchautoren Herbig, Alfons Biedermann und Rick Kavanian nicht sonderlich geplagt gewesen zu sein. Kavanian gesteht freimütig: „Ehrlich gesagt, überhaupt nicht! Unendliche Weiten: Unendliche Möglichkeiten für unendliche Drehbuchseiten!“

Ganz so einfach machte es sich Herbig selbst nicht: „Das Wichtigste war mir: Kork, Schrotty und Spuck dürfen die Geschichte nicht tragen müssen.“ Also ersannen sie eine wirre Geschichte von der Rettung der Erde vor den bösen Marsbewohnern, inklusive Zeitreise, Prinzessin und Macho-Held, wild zusammengeklaut aus Star Wars, Star Trek, „Zurück in die Zukunft“ und „Das fünfte Element“. Angereichert ist diese im Grunde völlig nebensächliche Handlung mit spektakulären visuellen Effekten. Wenn die Raumschiffe der Marsianer angreifen, sieht es tatsächlich so aus, als sei der Film nicht in München, sondern in Hollywood entstanden, so realistisch und offenbar erschwinglich ist mittlerweile digitale Bilderzeugung.

Damit allerdings verliert „(T)Raumschiff Surprise“ seinen in der TV-Kurz-Version durchaus vorhandenen Charme. Hatte man in den Sketchen auf Pro 7 noch den Eindruck, dass da durchgeknallte Fans mit einfachsten Mitteln ihre lieb gewonnene Enterprise-Serie parodieren wollen, greift der Spielfilm nach mehr: allzu deutlich zielen die technisch brillanten Weltraumballereien und Verfolgungsjagden auf den internationalen Markt ab. Und doch ist es nichts als eine mit 9 Millionen Euro Budget aufgeblähte Privat-TV-Comedy. Mit diesen, vom „Schuh des Manitu“ eingespielten Millionen wurde auch einer verpflichtet, der einige Zeit als deutscher Schauspieler mit Chancen in Hollywood galt: Til Schweiger.

Er ist mit der Rolle des Weltraum-Taxifahrers Rock (nachempfunden jener Figur, die Bruce Willis in „Das fünfte Element“ darstellt) fast wieder an den Anfang seiner vielversprechenden Karriere zurückgekehrt: Wie schon damals in „Der bewegte Mann“ gibt Schweiger das heterosexuelle Objekt der Begierde für seine schwule Umgebung. In Amerika scheint es nicht so gut zu laufen für Schweiger. Im Interview betont er, dass die Herbig-Produktion den Vergleich mit US-Spielfilmen nicht zu scheuen brauche: „Wenn ich mir „Tomb Raider 2“ anschaue, der ein 120-Millionen-Dollar-Budget hatte – das sieht nicht besser aus.“ In „Tomb Raider 2“, einem Film, dessen Vorlage ein Computerspiel war, hatte Schweiger eine Nebenrolle: „So etwas kann todlangweilig sein, weil du die Zeit nur mit Warten verbringst. Danach habe ich bei ‚(T)Raumschiff Surprise – Periode 1‘ gesagt: Leute, das hier ist für mich wie Urlaub.“

Seine besten Szenen hat Schweiger, wenn er sich selbst parodiert: in einer Traumsequenz, in der er angekettet, als ölverschmierter Mechaniker, seiner Traumfrau beim Waschen seines Taxis zusieht. Und einmal, als er, wie Keanu Reeves in „Matrix“, in Superzeitlupe durch die Luft springend Bösewichter erschießt – und dann mit dem Kopf gegen eine Säule knallt. Für den echten, ernst genommenen Helden, der sicher landet, reicht’s halt nicht ganz. Der schöne Sky Dumont, nach seiner Rolle im „Schuh des Manitu“ quasi fest ins Bully-Team integriert, gerät ob der Zusammenarbeit mit Herbig ins Schwärmen: „Erst ‚Eyes wide shut‘ mit Stanley Kubrick, direkt danach ‚Der Schuh des Manitu‘. Für einen Schauspieler ist das wie ein Sechser im Lotto.“ In umgekehrter Reihenfolge wäre es wohl ein Sechser mit Zusatz- und Superzahl gewesen.

Nein, es soll niemandem der Spaß verdorben werden. Deshalb möchte sich der Autor ausdrücklich entschuldigen, sollte er hier zu viel verraten haben. Vor der Premierenvorstellung war Bully „Kubrick“ Herbig vor die teilweise erstaunlich minderjährige Fachpresse getreten und hatte darum gebeten, bestimmte Gags, besondere Überraschungen, die nach dem dritten Akt folgen sollten, auf keinen Fall vorab preiszugeben. Der Autor hat sich nach Kräften bemüht, diese Geheimnisse zu schonen. Allein er konnte sich nach Betrachtung des Filmes nicht erklären, was Herbig gemeint haben könnte. Vielleicht ist das alles auch gar nicht so wichtig. „(T)Raumschiff Surprise“ ist ein schöner Kinospaß für einen verregneten Sommer. Aber es soll ja jetzt wärmer werden.