Wie versprochen, so gebrochen

1.000 Tage Bürgermeister Ole von Beust: SPD-Fraktionschef Michael Neumann nutzt dieses Datum im Sommerloch zur vernichtenden Abrechnung mit den Senaten von Schwarz-Schill und CDU. Sein Fazit: Tiefststand demokratischer Kultur erreicht

von sven-michael veit

Keine 30 Minuten braucht Michael Neumann, um den politischen Gegner zu zerpflücken. In 29 Schaubildern präsentiert der SPD-Fraktionsvorsitzende seine Sicht der Regierungsbilanz des Ersten Bürgermeisters Ole von Beust (CDU). Vernichtend fällt sie aus, zugleich aber nicht ganz ohne Selbstironie. In den 1.000 Tagen Regierungszeit seit dem Amtsantritt am 31. Oktober 2001 habe der Bürgermeister, so Neumann, „mehr Vertrauen enttäuscht als die Sozialdemokraten zuvor in 44 Jahren“.

Und dafür sei der Regierungschef höchstselbst verantwortlich, so der Oppositionsführer, schließlich habe von Beust ja die Richtlinienkompetenz. „Ich will nur versprechen, was ich halten kann“, zitiert Neumann aus dessen Regierungserklärung von 2001 und listet fein säuberlich die endlose Zahl „gebrochener Wahlversprechen“ auf – in der Inneren Sicherheit, in der Bildungspolitik, im Sozialen oder auf dem Arbeitsmarkt (Auszüge siehe Kasten). Der Bürgermeister und die CDU hätten, sagt Neumann, sogar „die Erwartungen der Wähler in den konservativen Wechsel enttäuscht“.

Und, mehr noch, „einen Tiefststand der demokratischen Kultur“ herbeigeführt. Das rücksichtslose Beiseiteschieben von Volksbegehren und selbst Volksentscheiden habe deutlich gemacht, „dass diese Regierung sich nicht um die Wünsche und Voten der Bevölkerung kümmert“. Der geplante Verkauf des Landesbetriebs Krankenhäuser, obwohl sich beim Volksentscheid vor fünf Monaten fast 590.000 HamburgerInnen (76,8 %) dagegen aussprachen, mache deutlich, „dass Herr von Beust sich über den erklärten Willen der Menschen hinwegsetzt“.

Damit begehe der Regierungschef, wenn keinen juristischen, dann doch „mindestens moralischen Verfassungsbruch“. Wer solchermaßen, so Neumann wörtlich, „den Menschen in den Hintern tritt, fördert die Politikerverdrossenheit“ und „produziert neuen Populismus“.

Im Widerspruch zu den vollmundigen Ankündigungen in Sachen „Wachsende Stadt“ sieht Neumann die reale Entwicklung im Wohnungsbau. Immer weniger Wohnungen würden gebaut, zugleich sinke der Bestand an Sozialwohnungen beständig, dafür seien die Mieten im vorigen Jahr um etwa fünf Prozent gestiegen – „eine politische Programmatik“ für eine sozial wachsende Stadt sei das nicht, so Neumann.

Verstärkt profitiere hingegen das Umland von der Politik des Hamburger Senates, weil in den Speckgürtel ziehe, wer bezahlbaren Wohnraum suche. Zudem habe auch Hamburg sich im Bundesrat Kürzungen bei der Eigenheimzulage oder der Pendlerpauschale widersetzt und „subventioniert damit den Fortzug von Arbeitnehmern und Steuerzahlern“ in die Nachbarländer. Dadurch gingen dem Stadtsäckel jährlich „fast 300 Millionen Euro verloren“, hat er ausgerechnet: „Der Bürgermeister verspielt die Chancen und die Zukunft der Stadt.“

Aber die beiden Senate des Ole von Beust – zunächst Schwarz-Schill, nun CDU pur – hätten auch ein paar Dinge richtig gemacht, räumt Neumann auf Nachfrage ein. Olympia-Bewerbung, Ausbau des Airbus-Werkes, Hafenerweiterungen und erneute Elbvertiefung – „wo der Senat sozialdemokratische Politik fortgesetzt hat, liegt er richtig“, findet der SPD-Fraktionschef.

Eine Einschätzung, die CDU-Fraktionsvize Frank Schira überhaupt nicht zu teilen vermag. Neumanns Auftritt sei nur eine „Pflichtübung im Sommerloch“ befindet Schira, und im Übrigen nicht mehr als „kleinkariertes Gemoser“.