Hasta la vista, Marke!

Kein Bizeps, keine Knarre, dafür weißer Kragen und staatstragende Inszenierung: Zum Geburtstag schenkt Österreich seinem berühmtesten Sohn Arnold Schwarzenegger eine Briefmarke. Sollte sie das Bild zeigen, das vom Terminator bleiben wird?

VON DIRK KNIPPHALS

Dies also ist nun Österreichs mächtigste Briefmarke. Von heute an ist sie im Umlauf, pünktlich zu Arnolds 57. Geburtstag – und sie wird sicherlich einen Hingucker abgeben, sollte man sie demnächst auf einem Brief aus Wien, Salzburg oder (Geburtsstadt!) Graz entdecken.

Man beachte das sorgfältige Arrangement der Flaggen im Hintergrund. Hinter Arnolds Konterfei gehen die amerikanischen Stars and Stripes grafisch geschickt in die breiteren rot-weißen Streifen Österreichs über. Die Amis, mag das ausdrücken, mögen allein zum Mond geflogen sein – an der Erfolgsgeschichte Arnold Schwarzeneggers aber reklamiert Österreich nun seinen Anteil, zumindest postalisch. Amerika und Österreich: in Arnold vereint. So stellt sich Österreich mit der Marke auf Zehenspitzen. In Sachen Schwarzenegger auf Augenhöhe mit der Weltmacht. Na ja, zumindest soll, wie der Autor der Kronen-Zeitung, Werner Kopacka, kürzlich vermeldete, Arnold den Amis inzwischen beigebracht haben, nicht ständig Austria und Australia zu verwechseln.

Und Arnold selbst? Sieht ziemlich adrett aus. Das markige Kinn, der durchsetzungswillige Mund, der entschlossene Blick – ein Gutteil Terminator ist, wo Schwarzenegger draufsteht, immer noch drin. Aber etwas beginnt sich über seine Züge zu legen. Etwas bei dieser Person bislang Unbekanntes ist es auf alle Fälle. Sollte es gar etwas Staatsmännisches sein?

Imagemache, klar. Aber hätte man jemals gedacht, dass es überhaupt möglich ist, mit so einem Mann ein staatsmännisches Image aufzubauen? Es sage keiner, dass ihm das Motiv nicht doch irgendwie schräg vorkommt – gerade in der ausgestellten Seriosität dieses Willens zur Macht. Man hat eben noch andere Bilder im Kopf. Weder ist Schwarzenegger hier mit Bizeps zu sehen (Umfang zu dessen definiertester Zeit: 51 Zentimeter), noch trägt er eine Knarre. Dafür führt er andere Bewaffnungsformen vor: white collar und staatstragende Inszenierung. Was die Briefmarke einfängt, ist, dass es hier jemand ernst meint mit der Imageverschiebung. Und dass er auf Resonanz stößt.

Nun kann man, ohne Philatelist zu sein, sagen, dass das Genre der Briefmarke eher konservativ strukturiert ist: Es versucht, etwas Bleibendes zu erhaschen. Sollte dies also tatsächlich das Bild sein, das von Arnold Schwarzenegger bleiben wird? Kein Mann mit aufgepumpten Muskeln. Keine Mannmaschine. Sondern: Jemand mit weißem Kragen ganz staatsmännisch vor Flaggen. Und, ganz im Ernst: Wäre das in einer an durchgeknallten Momenten wahrlich nicht armen Karriere nicht das bislang überhaupt Durchgeknallteste und Erstaunlichste?

Ganz sicher ist: Arnold hat im Verlauf der vergangenen Jahrzehnte viele schwere Zeichen produziert und schräge Nummern hingelegt. Er war der halbnackte Barbar. Er war der amerikanische Vorturner beim Great American Workout mit Präsident Bush, dem Älteren. Er war die Kampfmaschine aus der Zukunft, und er war schwanger (im Film „Junior“). Er war Muskelberg und Zigarrenmacho. Und mit all diesen Posen hat er es geschafft, einer der berühmtesten Menschen der Welt zu werden (manche sagen: der berühmteste, aber wer weiß schon, ob der Papst oder irgendein chinesischer Popstar unterm Strich nicht doch berühmter ist?). Schon das ist ja nicht einfach. Aber dann schafft er es auch noch, mit einer ganz anderen und seinen bisherigen Images geradezu entgegengesetzten Pose auf diese Briefmarke zu kommen! Irre.

Es hat im Vorfeld dieses Artikels Ratschläge gegeben, wenigstens an einer Stelle eine dezidiert kritische Einstellung dem Gegenstand gegenüber einzunehmen, um nicht in den Geruch eines reinen Fantums zu geraten. Aber an diesem Punkt zumindest muss ich auf einer ausschließlich affirmativen Haltung beharren. Erst hat dieser Mann mächtige Bilder von sich aufgebaut, dann gelingt es ihm wieder, sie zu verwischen: Das soll Arnold mal einer nachmachen!

Ernsthaft aber stellen sich ausgehend von dieser Briefmarke Fragen. Es stellen sich politische Fragen, aber die gehören nicht hierher. Wie sich Arnold als Gouverneur von Kalifornien macht, das sollen die Kollegen aus den vorderen Teilen dieser Zeitung klären (die Weltwoche feierte ihn vergangene Woche schon mal als „Amerikas innovativsten Politiker“, vorbehaltlos möchte man der arg konservativ gewordenen Weltwoche allerdings dann doch nicht glauben). Nimmt man die Briefmarke aber als kulturelle Tatsache ernst, so gilt es, eine narzisstische Kränkung zu vermelden: Die Filmkarriere könnte tatsächlich nur Episode in diesem Lebenslauf sein. Arnold, so drückt die Marke aus, beginnt sein kulturelles Kapital mit Gewinn auf das Konto des politischen Kapitals umzubuchen.

Nun spricht wohl tatsächlich vieles für diese Sicht. Nur darf man sich das nicht als Bruch innerhalb der Biografie vorstellen. Wenn man etwa „A Man With A Plan“, die kürzlich auf Deutsch erschienene (und leider allzu routiniert geratene) Schwarzenegger-Biografie der Journalistin Cookie Lommel durchliest, kann man verblüfft feststellen, dass dieses Leben sehr früh auf ein freies Floaten von sportlichem, kulturellem, politischem, familiärem und auch unternehmerischem Kapital angelegt war. Arnold Schwarzenegger hat sich ja bekanntlich auch noch erfolgreich in den Kennedy-Clan hineingeheiratet, in den USA soll das einer Erhebung in den Adelsstand gleichen. Und selbst wenn er keine einzige seiner Mega-Filmgagen kassiert hätte, wäre er Multimillionär; ganz nebenbei hat er sich ein Immobilienimperium in Kalifornien aufgebaut.

Und eins war immer nützlich für das andere. Sein stupendes, durch Praxis erworbenes Wissen über Bodybuilding hat er als Unternehmer in bare Münze umgesetzt. Seine unternehmerische Beschlagenheit war wichtig, um stets die Kontrolle über sein Filmimage zu behalten. Die Popularität als Filmstar und seine im Filmbusiness gewonnenen Erfahrungen mit PR-Kampagnen halfen, die Gouverneurswahlen zu gewinnen. Und seine Ehe mit der Demokratin Maria Shriver erlaubt es ihm, dem Republikaner, nun, sich als unideologischen Pragmatiker in Szene zu setzen. Hier hat sich jemand nicht ständig neu erfunden, auch wenn es von den Bildern her lange Zeit so aussah. Sondern hier hat jemand beharrlich an der Erweiterung seiner Möglichkeiten gearbeitet.

Man muss wissen: Schwarzenegger ist ein guter Schachspieler. Kaltblütig und stets auf weite Sicht im Voraus scheint er auch jeden Schritt in seinem Leben zu planen. Davon, einmal vielleicht Gouverneur von Kalifornien werden zu wollen, hat er schon seit 1990 geredet.

Spätestens hier ist der Punkt, an dem jemand wie unsereiner ein falsches Leben wittert. Alles scheint Mittel zum Zweck, nichts scheint Selbstzweck zu sein. Aber wirklich Anlass, ihn als selbstentfremdet zu bedauern, gibt Schwarzenegger auch wieder nicht. Er hat nie ein Hehl daraus gemacht, dass sein Leben allein darauf angelegt ist, drei Ziele zu verwirklichen: reich werden, berühmt werden, mächtig werden. Diese Ziele, Jungsziele eigentlich, geht er seit Beginn seiner Karriere unbeirrt an. Erst musste er der beste Bodybuilder aller Zeiten werden, um Filmstar werden zu können. Dann musste er Filmstar werden, um Politiker werden zu können. Und Politiker musste er werden, um die unernsten Aspekte des Bodybuilding- und Filmstarseins wieder abstreifen zu können.

In den USA halten sie das Gouverneursamt ja sowieso nur für eine Durchgangsstation. Dass er 2008 bei der Präsidentenwahl antritt, wird inzwischen für möglich gehalten. (Sicher, es gibt dieses Gesetz, dass nur geborene Amerikaner Präsident werden dürfen; aber Arnold soll schon daran arbeiten, es auszuhebeln.) Das wäre dann das Durchgeknallteste von allem – und beinhaltete eine große Ironie. Er könnte nie – niemals! – in einem Film glaubwürdig einen amerikanischen Präsidenten spielen. Dazu hat er nicht die schauspielerischen Möglichkeiten, und das weiß er vermutlich. Aber in der Realität könnte er demnächst Präsident sein?! Warten wir es einfach ab.

Falls es mit dem Weißen Haus nicht klappen sollte, hält die Briefmarke einen Trost bereit: Präsident von Österreich könnte er jederzeit werden. Nicht, dass irgendetwas dafür spricht, dass ihm das auch reichen würde.