vatikan & feminismus
: Die Mullahs von Rom

Jahrzehnte nach dem Entstehen der Gender-Theorie und Jahre nach dem sanften Einschlafen des Feminismus in Theorie und Praxis sieht der Vatikan sich herausgefordert, dem Schlummernden eine Lektion zu erteilen. Es ist schön, dass Rom mal wieder so deutliche Worte verliert und „polymorphe Sexualität“ wittert, wo die Frauen etwas anderes wollen, als ihrer Bestimmung zu Demut und Mutterschaft zu folgen. Denn mit solchen Klarstellungen wird auch die Frontlinie im weltweiten gesellschaftlichen Kampf wieder dorthin gerückt, wo sie hingehört: zwischen Fundamentalismus und Aufklärung, Fremdbestimmung und Selbstbestimmung, Autoritarismus und Freiheit.

KOMMENTAR VON HEIDE OESTREICH

Der Versuch der Xenophobiker jeder Couleur, von Samuel Huntington über Günther Beckstein bis Ussama Bin Laden, den Kampf der Kulturen anhand des fiktiven Gegensatzes von islamischem Morgen- und christlichem Abendland zu inszenieren, wird durch die verblüffende Ähnlichkeit der Fundamentalismen auf beiden Seiten offenkundig konterkariert: „Der Frau obliegt es, ihren Mann zu beraten und zu unterstützen […]. Sie trägt die Hauptverantwortung für das Wohl der Kinder. Dies ist ihre wichtigste Aufgabe“, steht in einer fundamentalistischen Broschüre über die „Frau im Islam“. Hier könnte Kardinal Joseph Ratzinger mit dem Segen des Papstes abgeschrieben haben.

Übrigens: Die muslimischen Fundamentalisten rühmen sich ebenso wie die katholischen, dass Frauen nirgendwo so viele Rechte hätten wie in ihrer Religion. Auf internationaler Ebene haben beide längst eine unheilige Allianz gebildet, die das vatikanische Schreiben nun noch einmal ins Bewusstsein ruft. So wird etwa das Abkommen über die Rechte der Frauen der Vereinten Nationen (Cedaw) nicht nur von den islamischen Ländern bekämpft, sondern ebenso von den Vereinigten Staaten von Amerika – und vom Vatikan. Den afghanischen Frauen etwa wurde die Ratifizierung dieses Abkommens nach der Invasion auf Druck der christlichen USA verweigert – was den muslimischen Mullahs nur Recht war.

Um diese Allianz der Fundamentalisten gegen die Frauen zu verschleiern, wird nun eine feministische Theorie, die nur noch in Spuren in universitären Kolloquien überwinterte, aus der Ecke gezogen und als Gefahr gebrandmarkt. Wer weiß, vielleicht wacht der Feminismus dadurch sogar wieder aus seinem Winterschlaf auf.

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