Deutsche Meisterschaft

Stefan Raab will kommendes Jahr eine deutsche Konkurrenzshow zum Grand Prix Eurovision etablieren: „Die Songs werden immer orientalischer – deshalb müssen wir back to the roots“

VON JAN FEDDERSEN

Die Idee ist so simpel wie schlagkräftig – und würde sie, wie momentan geplant, zum nächsten Jahresbeginn realisiert, könnte dies die erfolgreichste ARD-Sendung im Unterhaltungsbereich marginalisieren, in puncto Quoten, aber noch im Hinblick auf die Ausrichtung ihrer Ästhetik auf juvenilere Zuschauersegmente: Der Angriff gilt dem Grand Prix Eurovision und wird ausgeführt vom Musik- und TV-Produzenten Stefan Raab.

Der war dieses Jahr für den deutschen Act bei der Eurovision in Istanbul als Mentor, Komponist und Texter zuständig. Der Song „Can’t Wait Until Tonight“, gesungen vom in der Raab-Show „TV total“ siegreich gecasteten Musiker Maximilian Mutzke, landete, obschon wochenlang Nummer eins in den deutschen Charts, nur auf dem achten Rang. „Das Team war ein wenig traurig“, gab Raab der taz zu Protokoll, „ich fand aber, dass man daraus was machen müsste.“ Was er damit meine, so Raab, sei, dass die Lieder „immer orientalischer würden“, was ein Produkt „der Osterweiterung der Eurovision“ sei. So kam das „TV Total“-Team auf die Idee, so Raab, „back to the roots“ zu gehen: „Einen kleinen, feinen Grand Prix, der in Deutschland Interesse findet.“

Konkret: Ein Popwettbewerb mit 16 Teilnehmern, nämlich entsandt von den Bundesländern. Der Modus soll grandprixesk sein, also nicht als Votum eines (TED-)Deutschlands, sondern als (TED-)Voten der Bundesländer. Nordrhein-Westfalen solle das gleiche Stimmengewicht wie Bremen, Bremen die gleiche Macht wie Bayern haben.

Als Titel wurde „Bundesvision Song Contest“ (BSC) ersonnen – und sogleich im Titelschutzanzeiger zur Geltung gebracht – wogegen der NDR vorging, weil er mit dem Markennamen „Eurovision Song Contest“ kollidiere. Dem Einspruch des öffentlich-rechtlichen Senders wurde nicht stattgegeben, Raabs Projekt kann so beginnen. Geplant sei, „mehr hochkarätige Stars aus den Charts“ einzuladen – deren BSC-Lieder in Vorrunden in (eher auf jugendlich getrimmten) Radiostationen gespielt würden. Das Finale schließlich fände „in einer ganz großen Oper“ (Raab) in der Köln-Arena statt, übertragen von seinem Heimatsender Pro 7.

Musikgeschmacklich gebe es keine Vorgaben, denkbar, so Raab, seien Acts wie Marius Müller-Westernhagen, Sportfreunde Stiller, Wir sind Helden oder „meinetwegen auch Andrea Berg“ (Raab), umsatzstärkste Nummer aus dem klassischen Schlagerbereich, „sie müsste sich nur in Nordrhein-Westfalen qualifizieren“, so Raab.

Dass sein Projekt wie viele andere in Konkurrenz zum Grand Prix Eurovision scheitern könnte, glaubt Raab nicht. Italien, einst Mutterland des echten Pop (Mario Lanza, Mina, Toto Cutugno) sei ja seit 1997 auch nicht mehr beim Grand Prix dabei, keine Quote und keine Plattenumsätze seien dort der Grund für den Verzicht auf die einzige europäische Unterhaltungsshow. Man halte dort auf das (allerdings auch nicht mehr so straßenfegerische) Pop-Festival von San Remo, das Jahr für Jahr im Frühjahr über mehrere Tage zelebriert wird.

Der NDR und sein Unterhaltungsbereich hielten sich gestern bedeckt. Man fürchte das Projekt nicht, so die Pressestelle des Senders: „Ein Gesangswettbewerb zwischen Vertretern der Bundesländer geht sehr weit weg von unserem professionellen musikalischen Ansatz.“ Was ein allzu eiliger Blick auf die Macht und die Kredibilität Raabs sein könnte: Schon in den Sechzigerjahren litt der Grand Prix Eurovision unter einer (den konservativen Zuschauern viel lieberen deutschsprachigen) Konkurrenz, den Deutschen Schlagerfestspielen. Mieden die Big Names der Szene die Eurovision, waren sie nur allzu gern bereit, bei dem Tonträger-Wettbewerb (in Baden-Baden) aufzutreten, wenigstens im Teil jenseits der Abstimmungen: Esther & Abi Ofarim, Nana Mouskouri, Siw Malmkvist, Conny Froboess, Marlene Dietrich, Caterina Valente, Wencke Myhre – vom Kaliber mit heutigen Acts nur zu vergleichen mit jenen Bands und Entertainern, die Raab gewinnen will.

Dass Raabs Idee auch ein Abschied von der wenigstens pro Jahr einmaligen Europäisierung (und eben nicht Nationalisierung) des Unterhaltungsmarktes im Fernsehen bedeutet, ficht den Kölner Medienunternehmer (Brainpool) nicht an: „Es darf ja auch Englisch gesungen werden. Aber das Publikum mag eben eher Stars, die es kennt.“

Hans R. Beierlein, Medienmanager und Erfinder des Grand Prix der Volksmusik, sagte zur taz: „Ich schicke Stefan Raab ein Fax. Auf dem wird nur stehen: Machen, machen, machen. Die Szene braucht frischen Wind.“

Nebeneffekt der Raab’schen Veranstaltung wäre ohnehin, einen deutschen Kummer zu tilgen: Es gäbe auf alle Fälle einen deutschen Gewinner. Der letzte Grand-Prix-Sieg liegt ja schon 22 Jahre zurück: Nicole und ihr „Ein bisschen Frieden“.