„Rom hat keine Macht mehr über Frauen“

Die Bibel sehe die Gleichheit von Frauen und Männern vor, meint die Theologin Magdalena Bußmann. Der Vatikan lesesie schlicht falsch – auch in seinem neuesten Schreiben an die Bischöfe. Mittlerweile bilde sich eine weibliche Parallelkirche

INTERVIEW HEIDE OESTREICH

taz: „Der Genius der Frau“ besteht in ihrer mütterlichen „Fähigkeit für den anderen“, schreibt der Vatikan in seiner neuesten Verlautbarung. Sind solche Aussagen eigentlich theologisch gedeckt?

Magdalena Bußmann: Diese „Fähigkeit für den anderen“ haben Frauen wie Männer. Der vatikanische Text sagt ja auch ausdrücklich, dass beide Abbild Gottes sind. All die Eigenschaften, die wir Gott zuschreiben, gelten damit in gleicher Weise für Frauen und Männer: dass man zärtlich, liebevoll und vergebend sei, oder machtvoll und kraftvoll.

Kardinal Ratzinger meint aber, dass vor allem die Frauen die zarteren Eigenschaften haben. Steht das in der Bibel?

Das ist eine Verengung dieser christlichen Werte auf die Frau: Die Frauen sind für die empfangenden Werte zuständig und die Männer für die machtvollen. Wenn aber Männer und Frauen Ebenbilder Gottes sind, dann sind auch Frauen imstande, machtvoll zu sein und etwa Ämter in der Kirche auszuüben. Die römische Kirche kann das nicht ertragen und projiziert eine verengte Sicht in die Bibel hinein. Das sieht man etwa an der Art, wie hier Paulus zitiert wird.

Was ist daran fragwürdig?

Der Vatikan zitiert aus dem Epheserbrief, der gar nicht von Paulus ist, es ist ein „unechter Paulusbrief“. Daraus entnimmt Ratzinger die Metaphern von der „Braut“ Kirche und dem „Bräutigam“ Christus. Dagegen unterschlägt er, dass Frauen bei Paulus als Gemeindeleiterinnen, Bischöfinnen oder Diakoninnen vorkommen. Dass sie also gleichermaßen am Aufbau der jungen Kirche beteiligt sind wie die Männer. Kein Wort davon findet man beim Vatikan.

Dass Männer Frauen dominieren, leitet der Vatikan aus der Erbsünde ab. Eva wollte zu viel Erkenntnis, und nun wird sie mit der Männerherrschaft bestraft.

So interpretiert das der Vatikan. Dabei ist die Genesis eine Erklärung für eine geschlechtsneutrale Sünde, nämlich so sein zu wollen wie Gott. Da aber Frauen in der damaligen patriarchalen Gesellschaft unterdrückt waren, hat man sie für die Paradiessünde verantwortlich gemacht und ihre Situation als Strafe für diese Sünde gedeutet. Die Männerherrschaft ist so gesehen ein Strafzustand, aus dem Christus uns ja wohl erlöst haben soll.

Eine Verständnisfrage: Die Kirche soll doch „bräutlich“ sein, wird in dem Papier mehrfach betont. Jesus sei der Bräutigam, die Kirche die Braut. Wie ist das mit lauter Männern in der Kirchenhierarchie vorstellbar? Als Homoehe?

Nein, die Männer in den Weiheämtern haben eine Doppelrolle: Sie haben sowohl Teil an Jesus als Bräutigam als auch an der Kirche als Braut. Männer können also auf beiden Seiten turnen. Aber Frauen können das in den Augen des Vatikans selbstverständlich nicht. Weil Jesus ein Mann war, muss der Priester auf jeden Fall auch ein Mann sein.

Der Vatikan findet offenbar, dass das Rollenangebot der demütigen Maria für Frauen ausreicht.

Diese verstaubte Mariologie ist von der theologischen Wissenschaft längst ad absurdum geführt. Sie ist überhaupt nicht mehr zu halten.

Was heißt das? Maria war ganz anders?

Maria war eine ledige Mutter, die sich größtenteils allein mit ihrem Kind durchschlagen musste. Und das Kind ist dann ja auch ein bisschen problematisch geworden. Von Josef wissen wir dagegen fast nichts. Aber Maria wird etwa auch das Magnifikat von Lukas in den Mund gelegt. Und da wird zum Ausdruck gebracht, dass Maria die gängigen Werte sprengt: Da werden die Herrschenden vom Thron gestoßen und die Armen werden erhöht. Maria besingt eine Art Revolution Gottes, wo die herrschenden Werte umgekehrt werden. Das wird dann für die feministische Befreiungstheologie interessant.

Der Vatikan will den Frauen auch „Zugang zu verantwortungsvollen Stellen“ verschaffen. Freut Sie das nicht?

Aber nein. Wie der Vatikan weiter ausführt, bedeutet „Zugang“, dass Frauen die Politik „inspirieren“ dürfen und Lösungen „anregen“. Es bedeutet nicht, dass sie auf diesen Positionen sitzen und Macht haben. Denn gleich danach meint der Vatikan ja, dass Frauen wichtige Aufgaben in der Familie zu erledigen haben, die sie nicht vernachlässigen dürfen: Denn ihren erzieherischen Fähigkeiten wird ja die Verantwortung für eine zukünftige friedfertige Gesellschaft aufgebürdet. Das ist eine der größten Unverschämtheiten dieses Papiers.

Warum kommt dieses Schreiben gerade jetzt?

Die Kirche hat gemerkt, dass sie keine Macht mehr über die Frauen hat. Es gibt immer mehr kirchenrechtlich verbotene Priesterinnen-Weihen, es gibt die Abspaltung der Schwangerenberatungen von Donum vitae. Es bildet sich quasi eine weibliche Parallelkirche. Da wollte Herr Ratzinger wohl einen Pflock einschlagen. Aber so etwas kann man Menschen von heute nicht mehr zumuten. Das Papier wäre besser nie geschrieben worden. Ich kann nach der Lektüre nur sagen: Zum Glück interessiert Frauen ohnehin nicht mehr, was die Amtskirche da produziert.

Frau Bußmann, was hält Sie denn eigentlich noch bei dieser Kirche?

In der biblischen Botschaft ist ein Potenzial an Humanität, Solidarität und Gerechtigkeit grundgelegt, die ich in anderen Religionen in unserem Kulturraum so nicht finde. Dieses Potenzial kann Visionen und Widerstandskräfte freisetzen. Ich möchte das nicht kampflos dieser Männerkirche überlassen.