Hunger im Freibad

Im Kioskangebot mancher Schwimmbäder sind Pommes Frites oft noch das Gesündeste. Ernährungswissenschaftler sieht Gefahr für dicke Kinder

„Wenn Kinder die Wahl haben, essen sie durchaus Gesundes“: Christiane Petersen

Von Kaija Kutter

Schwimmbad Ohlsdorf zu Beginn der Sommerferien. Drei übergewichtige Teenies tummeln sich im Nichtschwimmerbecken, ein Junge mit dickem Bauch kommt eine Schale Pommes haltend die Treppe vom Kiosk herunter, gefolgt von einem ebenso korpulenten Freund.

„Der Blick auf das Nahrungsangebot des Kiosks lässt Schlüsse zu. „Mampfi“-Esspapier in der vordersten Reihe neben „Center-Schock“-Kaubonbons und „Wonderball“-Lutscherkaugummis. Zu trinken gibt es Cola, Fanta und Sprite. Als Mahlzeiten stehen Pommes, Cheeseburger, Hamburger, Nudelsalat, Kartoffelsalat und ganz unten auch noch eine gebackene Kartoffel auf dem Speiseplan.

Nicht besser bestellt mit der Nahrungsauswahl ist es bei Hallenbädern wie Bramfeld, Rahlstedt oder Volksdorf. In der Theke werden Bottich an Bottich bunte und witzige Süßigkeiten feilgeboten. Angefangen bei Cola-Drops und Schnullis bis hin zu weißen Mäusen und Gebissen aus Marshmallow-Matsch.

„Die Kinder haben doch Hunger nach dem Schwimmen, die müssen was Süßes essen“, pflegt eine Bekannte zu sagen, bevor sie ihr Töchterchen eine Tüte voll Schaumzuckerteile aussuchen lässt. „Es stimmt, die Kinder haben Hunger nach dem Schwimmen“, bestätigt der Ernährungswissenschaftler Niels Pape vom Präventionszentrum „Mobbi Dick“. Doch für übergewichtige Kinder sei das in den Bädern übliche Angebot eine „Katastrophe“. Pape: „Das Schwimmen ist von der Bewegung her ein Traum. Es ist schade, dass dieser Energieverbrauch gleich wieder kaputt gemacht wird durch dieses blöde Nahrungsangebot.“ Ältere Kinder, die in den Ferien ohne Eltern einen „Schwimmbadtag“ einlegen, dächten meist nicht an den späteren Hunger. Wenn sie sich kein Brot oder Apfel eingepackt haben, seien sie gezwungen, von dem ungesunden Angebot vor Ort zu konsumieren.

„Mobbi Dick“ hilft seit fünf Jahren rund 200 dicken Kindern in 22 Stadtteilgruppen mit einer speziellen Verhaltenstherapie, ihre Ernahrung zu ändern und sich mehr zu bewegen (www.mobidickhamburg.de). Der Besuch im Schwimmbad stehe bei den wöchentlichen Gruppentreffen fest mit auf dem Programm, berichtet Pape. Dabei übten die Kinder, für sich zu sorgen und gesundes Essen mitzubringen. Dazu zähle ein Vollkornbrötchen mit magerem Putenfleisch oder eine Banane. Doch in den Ferien würden schon mal von 30 Tagen 20 im Bad verbracht, was die Kinder in die Gefahr bringe, wieder in ungesunde Ernährunsgweisen zu verfallen. Pape: „Es sollte dort Obst geben.“

Kisten Morisse, die Sprecherin der Bäderland GmbH, sieht die Verantwortung in den Ernährungsgewohnheiten der Kinder. Die Kioske würden durchweg von Pächtern betrieben, oft kleine Familienbetriebe, die auf ihre Kosten kommen müssten. Morisse: „Es ist eine bittere Erfahrung von allen Pächtern, dass Pommes und Burger nachgefragt werden. Obst aber nicht.“ Wenn die Kioske nur noch Salat anböten, brächten die Kinder sich ihre Süßigkeiten von Zuhause mit.

Das wiederum mag Mobbi-Dick-Leiterin Christiane Petersen nicht glauben: „Die Erfahrung zeigt, dass Kinder sich durchaus für Gesundes entscheiden, wenn sie die Wahl haben.“ So würden Rohkost und Vollkornschnitten an Schulkiosken den Müttern mitunter aus den Händen gerissen. Petersen hat als langjährige Schulärztin miterlebt, wie der Anteil dicker Kinder in Hamburg kontinuierlich stieg. Waren es 1975 noch vier Prozent und 1980 elf Prozent, so sind inzwischen 20 Prozent der Kinder und über 30 Prozent der Jugendlichen übergewichtig. „Es gibt immer viele Faktoren. Natürlich ist jetzt nicht Bäderland schuld, dass es dicke Kinder gibt“, schränkt Petersen ein. „Aber es wäre toll, wenn es an diesem gesunden Ort auch etwas Gesundes gäbe.“ Mobbi Dick würde deshalb gern mit der städtischen GmbH kooperieren.