„Es wird ein sehr unruhiges Schuljahr“

Die Vorgaben der Bildungsbehörde erschweren das Überleben kleiner Schulen zusätzlich. Das kritisiert Hamburgs Lehrerkammervorsitzende Katrin Blümel im taz-Interview anlässlich des heutigen Schulstarts

Interview: Kaija Kutter

taz: Mit was für einem Gefühl sehen Sie dem neuen Schuljahr entgegen?

Katrin Blümel: Ich glaube, es wird ein sehr unruhiges Schuljahr. Wir als Lehrer haben immer noch im Kopf, dass die neue Schulsenatorin angetreten ist mit dem Vorsatz, mit uns in den Dialog zu treten. Als Ziel hat sie formuliert, die Qualität an Hamburger Schulen zu verbessern. Beides ist aus unserer Sicht nicht geschehen. Tatsächlich sind die Ressourcen gekürzt worden, und an fast allen Schulformen wurden die Klassenfrequenzen erhöht. Das läuft auf einen Qualitätsabbau und eine Standardabsenkung hinaus. In der kurzen Zeit von ihrem Amtsantritt bis zu den Ferien gab es eine Reihe von Hauruckmaßnahmen einzig mit dem Ziel, Geld zu sparen. Es werden beispielsweise in der Sprachförderung Stellen gestrichen. Auch bei der Einführung von Ganztagsschulen geht Quantität vor Qualität, pädagogische Notwendigkeiten spielen keine Rolle. Das erzeugt kein gutes Gefühl.

Aber Senatorin Alexandra Dinges-Dierig war auch unter Zeitdruck, den Haushaltsplan für 2005/2006 aufzustellen.

Dieser Zeitdruck rechtfertigt nicht das Vorgehen. Es geht hier nicht um irgendwelche Kleinigkeiten. Um die Qualität an Hamburger Schulen weiterzuentwickeln, brauchen wir nicht weniger sondern mehr Lehrer. Wir alle wissen spätestens seit PISA, wie wichtig Sprachförderung ist, dass diese gestärkt werden muss. Das Gegenteil ist der Fall.

Das nächste Aufregerthema steht mit der Schulentwicklungsplanung schon vor der Tür. Die Rede war von 50 bis 60 Schließungen.

Die Lehrerkammer begrüßt, dass die Bürgerschaft eine alte Forderung der Kammer nach einer langfristigen Planung aufgegriffen hat und so endlich mehr Tranzparenz in die Frage der Schulstandortplanung bringt. Da die Planungen bis Ende 2004 abgeschlossen sein sollen, sehe ich aber die Gefahr, dass nur sehr wenig Zeit bleibt für das eigentliche Kernstück des neuen Verfahrens, nämlich die Beteiligung der Betroffenen vor Ort. Die sehr enge Zeitleiste der Behörde lässt es kaum zu, dass angemessene Stellungnahmen erarbeitet werden. Das alles ist sehr knapp für so ein brisantes Thema.

Keiner will Schulschließungen, egal ob früher oder später.

Das ist richtig, und wir werden sehr darauf achten müssen, dass nicht finanzielle, sondern pädagogische und soziale Gesichtspunkte die Grundlage für Entscheidungen sind. In der Vergangenheit sind wir immer wieder mit Entscheidungen der Behörde konfrontiert worden, die für uns nicht nachzuvollziebar waren, aber umgesetzt wurden. Insofern bedeutet eine langfristige und transparente Planung durchaus einen Fortschritt. Allerdings wurde von der Behörde durch die Heraufsetzung der Klassengrößen eine Situation geschaffen, in der nur noch große Standorte sich organisieren können und das Überleben kleiner, dezentraler Standorte künstlich erschwert wird.

Was sollte die Senatorin im neuen Schuljahr besser machen?

Ich erwarte, dass sie sich stärker und auch gegenüber ihren Senatskollegen für den Bildungsbereich einsetzt. Und ich würde gerne die langfristigen Konzeptionen der Senatorin für die Hamburger Schulen kennen lernen. Bis jetzt hat sie nur fortgeführt, was unter ihrem Vorgänger bereits auf den Weg gebracht wurde. Die Senatorin setzt sich bis jetzt für kein Projekt erkennbar ein.