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: Ein Bluesfilm

Für die aus Benin stammende Sängerin Angelique Kidjo, mit deren Auftritt der Konzertfilm „Lightning in a Bottle“ beginnt, hat der Blues im positiven Sinne Tradition – etwas, das viel weiter greift als die Geschichte Afroamerikas.

Angelique Kidjo lebt in Paris und zählt zu den wenigen Mitwirkenden dieses Films, die nicht aus den Vereinigten Staaten kommen. Man wolle die 100-jährige Geschichte des Blues nachzeichnen, sagte Martin Scorsese zur Eröffnung des Konzerts am 6. Februar 2003 in der New Yorker Radio City Music Hall, das hier von Regisseur Antoine Fuqua – durch zahlreiche Backstage-Einblendungen und Interviewsequenzen ergänzt – sorgfältig und äußert kurzweilig dokumentiert wurde. Bis auf wenige Ausnahmen hat jeder Künstler nur Zeit für einen Song, und als David „Honeyboy“ Edwards mit seinem „Gamblin’ Man“ durch ist, erzählt er noch, dass er 1928 als Dreizehnjähriger seinen ersten Auftritt hatte. Er konnte damals nur einen einzigen Song, und den spielte er die ganze Nacht, während die Leute dazu tanzten und tranken. Ihn füllte man zum Dank mit viel Whisky ab, und in jener Nacht sei er zum ersten Mal betrunken nach Hause gekommen.

Immer wieder wird klar, wie dankbar es für einen Regisseur sein muss, einen Film zu machen, in dem die Mitwirkenden solche Geschichten zu erzählen haben. Wie Solomon Burke, der früher einer der ganz wenigen schwarzen Sänger war, die auch in Country & Western machten und wohl deshalb auch in Lebensgefahr geriet, als er herausfand, dass er für eine Ku-Klux-Klan-Versammlung engagiert war. Da ihm aber keine Zeit mehr blieb, den Auftrittsort zu verlassen, hielt er sich an die Anweisung, einfach weiterzusingen, egal was passiert. Nach 45 Minuten „Down In The Valley“ hatte er die Hölle überlebt. Und mit Chuck D und seiner Anti-„Son-of-a-Bush“-Adaption des John-Lee-Hooker-Klassikers „Boom Boom“ kommt die Anti-War-Fraktion unter den Musikern zum Zuge, „The Fine Arts Militia“, laut und enervierend.

Es mag paradox klingen, aber „Lightning in a Bottle“ dokumentiert im Kontext der von Scorsese initiierten Bluesfilmreihe nicht nur ein ganz seltenes Konzertereignis. Dass diese fast schon vergessene Musik live derart gut funktioniert, ist das wirklich Verblüffende an dem Film.

Fast hatte man gedacht, dass das Ausmaß der Historisierung, mit der der Blues in jüngster Zeit von Martin Scorsese und Co angegangen wurde, sich mit dem wirklichen Leben nur eher schlecht verträgt. Ganz zum Schluss, nach dem Abspann, sagt Burke dann noch, was für ihn das Tollste an diesem Film war. Dass man viel Spaß hatte, dass man hart gearbeitet hätte und dass man kein Honorar dafür bekam. Und dann lacht er.

CHRISTIAN BROECKING