Gebühr aus Versehen

Hessens Langzeitgebühren beweisen: Viele Studis zahlen zu Unrecht – und das Geld holt sich der klamme Staat

BERLIN taz ■ Chaos und Ärger stiften Langzeitstudiengebühren derzeit an der Universität Frankfurt am Main. Rund 500 Studenten erhielten gestern und vorgestern ungerechtfertigt eine Rechnung über 500 Euro, weil sie ihre Studienzeitguthaben aufgebraucht hätten. „Ich bin verunsichert“, sagt Andrea Diener, die im 16. Semester studiert. „Die Uni hat mir im Frühjahr schriftlich zugesichert, dass ich bis 2006 nicht zu zahlen bräuchte.“ Sechs Semester davon hätten der Studentenvertreterin eigentlich gutgeschrieben werden müssen. Doch diese Freisemester fielen systematisch unter den Tisch – weil der Computer Fehler macht.

Etwa zehn Prozent aller Gebührenbescheide seien nicht korrekt, bestätigt der Verantwortliche der Universität, Ralf Breyer, und nannte als Grund Softwareprobleme. „Das sind die normalen Kinderkrankheiten bei der Einführung von Gebühren. Wir bitten um Verständnis für diese Panne.“ Die Uni muss die Rolle der Gebühreneinzugszentrale für das Land übernehmen – und ein überstürztes Gebührengesetz exekutieren.

Erst im Dezember beschloss der hessische Landtag, von Studierenden, die ihre Regelstudienzeit um mehr als vier Semester überziehen, Gebühren in Höhe von 500 bis 900 Euro einzutreiben. Studierende, die Kinder betreuen, sich in Gremien engagieren oder einmal das Fach gewechselt haben, erhalten Extrasemester. Gleich zu Beginn des Sommersemesters im April sollten die ersten Langsamstudierer Gebühren abführen. Satte 8.000 Studenten verließen daraufhin die Universität. Hessens CDU-Regierung hatte es eben eilig. Denn die Einnahmen fließen zu 90 Prozent in den Landeshaushalt, den Unis verbleiben nur 10 Prozent Aufwandsentschädigung. Im nächsten Jahr soll ein Teil des Geldes für einen Begabtentopf abgezweigt werden – ein vages Versprechen.

Zeitgleich führten die findigen Finanzpolitiker noch eine Verwaltungsgebühr ein. Jeder Student muss seit dem Sommersemester eine halbjährliche Summe von 50 Euro zahlen – in die Landeskasse. Pannen mit der komplexen Software waren vorprogrammiert. „Wenn man sich mehr Zeit gelassen hätte, hätte man sich einigen Ärger ersparen können“, sagte ein Mitarbeiter der Uni zur taz. Mit ähnlichen Problemen kämpfen auch andere Hochschulen. In Marburg erhielten Studenten vor zwei Monaten ebenfalls grundlos Zahlungsaufforderungen.

Im hessischen Wissenschaftsministerium sieht man es gelassen: „Klar war das ein ehrgeiziges Projekt. Aber sonst wird Beamten immer vorgeworfen, sie wären zu langsam, diesmal ging es eben schneller“, sagte ein Sprecher. ANNA LEHMANN