christoph schultheis
: Mit Pauken und Trompeten

Die Medienallianz zum Thema Rechtschreibung hinterlässt ein mulmiges Gefühl

Mein Fluchtkoffer ist gepackt. Ich weiß, das ist übertrieben, aber seit an einem 11. September zwei Flugzeuge in zwei New Yorker Hochhäuser flogen, war ich über eine Nachricht nicht mehr so erschüttert wie kürzlich am 6. August etwa zur selben Tageszeit, als Spiegel-Chefredakteur Stefan Aust und Mathias Döpfner, Chef des Axel Springer Verlags, erklärten, die von ihnen verantworteten Printmedien werden dem Beispiel der von Frank Schirrmacher u. a. herausgebenen FAZ folgen und ebenso wie die Süddeutsche Zeitung baldmöglichst zur alten Rechtschreibung zurückkehren. Dass der Vergleich hinkt, weiß ich auch. Dafür kann ich nichts. Es war so. Und es ist nicht so, dass mir an einer wie auch immer gearteten Rechtschreibung sonderlich viel liegt. Womöglich steht der Fluchtkoffer sogar schon länger da, und ich hab mich nur vergewissert, dass das Haltbarkeitsdaten von Notration und Reisepass noch nicht abgelaufen ist, die lange Unterhose noch nicht komplett mottenzerfressen.

Aber der „Paukenschlag“ (Bild) vom 6. August, die Medienallianz in ihrer ausgesprochenen Deutlichkeit also, will mir so schnell nicht aus dem Kopf. „Wir“ haben sie gesagt, „wir“, „wir“, „wir“: „Wenn FAZ, Süddeutsche Zeitung, Spiegel, Welt und Bild einer Meinung sind, dann muß es ein wirklich übergeordnetes Interesse geben. Das ist hier der Fall“, hat Springer-Chef Döpfner dann gestern der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung gesagt. Und es wäre albern, daran zu zweifeln. Der Mathias, der Stefan und der Frank werden schon wissen, was sie tun. Die großen Jungs aus der Nachbarschaft wussten das schließlich auch, wenn sie sich früher manchmal im Geräteschuppen trafen und ihn alsbald rotwangig wieder verließen.

Andererseits: Was Zeitungen und Zeitschriften machen, ist ihre Sache. Solange sie sich dabei an Gesetze, Sitte, Anstand und den Pressekodex halten, können sie machen, was sie wollen – sogar Kampagnen. Und dass die nicht nur aus einseitigen Schlagzeilen und Infos bestehen, ist auch nicht neu: Solange es die DDR gab, schrieb die Springer-Presse sie in „Gänsefüßchen“, 1999 verzichtete die taz für eine Abo-Kampagne mal auf den Buchstaben „z“, dass die Welt 2001 mal ihre Titelseite für eine Werbekampagne hergab und AOL-blau einfärbte, war auch ein Statement zwischen den Zeilen.

Da ist die Entscheidung von Spiegel, Bild, SZ & Co., künftig auf manches Doppel-„s“ zu verzichten, um ihren Unmut über die neue Rechtschreibung vermittels alter Schreibung quasi in jedem Text jedweden Themas in die Welt zu trompeten, ähnlich originell. Bleibt nur die Frage, mit wie viel „f“ ich meine Passage ins Exil nach Übersee im Reisetagebuch notieren werde.