Bumsfidele fehler

Ab sofort wird nicht mehr über reformen berichtet, analysiert, kommentiert – sondern mitreformiert: wie sich die presse von ihren grundsätzen lossagt

VON STEFFEN GRIMBERG

Wenn sich vor jahresfrist die Bild zum retter der deutschen sprache erklärt hätte – hohn und spott wäre die berechtigte quittung gewesen. Doch in diesem august 2004 ist alles anders: Bild sowie die anderen blätter des hauses Springer marschieren in trauter eintracht mit Spiegel, Süddeutscher und Frankfurter Allgemeiner Zeitung gegen die vermeintlichen abgründe der neuen rechtschreibung: das volk muss vor allfälligem analphabetismus gerettet werden.

Der wahre plot dieses sommertheaters hat allerdings gar nichts mit rechtschreibung zu tun. Sondern mit einem offenbar neuen verständnis von journalismus, das sich hier bahn bricht: ab sofort wird nicht mehr über reformen berichtet, analysiert, kommentiert – sondern mitreformiert. „Ziel dieser maßnahme ist die wiederherstellung einer einheitlichen deutschen rechtschreibung“, erklärten Spiegel und Springer – und drohten prophylaktisch schon mal damit, dass die publitationen ihrer häuser „rund 60 prozent der bevölkerung in Deutschland erreichen“. Wirkungslos ist das keinesfalls – die begeisterten anbiederungsaktionen populismusgeiler politiker geben ihnen recht. Oder wann schafften es leute wie Dieter Wiefelspütz (SPD) oder FDP-generalin Cornelia Pieper zuletzt mit foto auf die titelseite von Deutschlands größter boulveradzeitung?

„Journalismus heißt dabei sein, aber nicht dazugehören“, hatte der ehemalige „Tagesthemen“-moderator Hanns Joachim Friedrichs einst formuliert. Lang ist’s her, und von „mitmachen“ war schon gar nicht die rede.

Wenn nun hals über kopf einer der grundsätze des gewerbes über den haufen geworfen wird, untergraben sich die medien ihre glaubwürdigkeit selbst. Denn das opfer dieser reform der spielregeln im miteinander von medien, politik und öffentlichkeit ist die unabhängige berichterstattung. Im absurdesten fall wird daraus dann verschwörungstheoretische polemik (siehe unterer text).

Was für eine büchse sein laden geöffnet hatte, scheint immerhin auch Claus Strunz zu dämmern. „Die methoden“ dieser kampagne „auf die debatte um andere reformen in Deutschland zu übertragen, wäre unseriös“ und „nicht zulässig“, sagte der chefredakteur der Bums bei „Sabine Christiansen“: wer’s glaubt.

Eine erkenntnis jedenfalls bleibt und führt zurück zum ausgangsthema: weil mittlerweile die meisten zeitungen aus kostengründen ihre korrektur-abteilungen eingestampft haben, wird die zahl der fehler so hoch bleiben, wie sie ist. Egal nach welcher rechtschreibung.